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Thunberg, González und Yousafzai heißen die Galionsfiguren des Protests. Wie erklimmen junge Frauen die Weltbühne?
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Greta Thunberg war 15, als sie damit begann, freitags während der Schulzeit vor dem schwedischen Parlament für Klimaschutz zu demonstrieren. Inzwischen ist sie 16 - und Heldin einer neuen Jugendbewegung. Rund um den Globus schwänzen tausende junge Menschen nach ihrem Vorbild freitags die Schule, um für Klimaschutzmaßnahmen zu protestieren; auch in Wien findet Thunbergs Bewegung "Fridays for Future" immer mehr Anhänger.
Emma Gonzáles wiederum war 18 Jahre alt, als sie am 14. Februar 2018 das Schulmassaker von Parkland überlebte. Dieses Mal mündete der Tod von 17 amerikanischen Schülern durch einen Waffennarren aber nicht in stilles Entsetzen und Ohnmachtsgefühle, Gonzáles gründete mit Mitschülern die Organisation "Never Again MSD", die sich seitdem mit der mächtigen Waffenlobby NRA anlegt und für verschärfte Waffengesetze kämpft.
Malala Yousafzai schließlich. Das Mädchen aus Pakistan war 15 und auf dem Weg zur Schule, als ein Taliban ihr am 9. Oktober 2012 in den Kopf schoss, sie schwer verletzte. Malala überlebte. Seitdem kämpft sie um das Menschenrecht auf Bildung. Sie ist jüngste UN-Botschafterin und Friedensnobelpreisträgerin, ihr Geburtstag, der 12. Juli, wurde von den Vereinten Nationen zum Malala-Tag erklärt. Dieser Tag soll fortan alljährlich an das Recht aller Kinder auf Bildung erinnern.
Drei junge Frauen, drei Beispiele für eine neue Form des politischen Engagements; die Liste könnte weitaus länger ausfallen. Allerorts verschaffen sich gerade Frauen im jugendlichen Alter öffentliches Gehör, spielen auf der Bühne der Weltpolitik eine Rolle. Das tradierte Bild des männlichen Rebellen und virilen Querkopfs erfährt durch diese jungen Frauen eine notwendige Korrektur: Vielleicht zum ersten Mal seit den Suffragetten und der Frauenbewegung stehen Frauen nicht am Rand - sie gründen Protestbewegungen lieber gleich selbst. Vom Rand ins Rampenlicht. Wie ist das möglich? Welcher gesellschaftliche Erdrutsch liegt dem Phänomen zugrunde?
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Aufrecht und authentisch
Frauen setzen sich für Belange ein, von denen sie unmittelbar betroffen sind. Der Klimawandel wird zukünftige Generationen in voller Härte treffen - die Aktivistin Thunberg spricht das unverblümt und undiplomatisch aus. Gonzáles und Malala haben Attentate überlebt. Die persönliche Betroffenheit verleiht den Aktivistinnen etwas Aufrechtes und Authentisches. Überhaupt hat viel von der Wirkungskraft des weiblichen Widerstands mit Emotionen zu tun. Es gelingt den Protagonistinnen, Menschen in ihren Bann zu ziehen, Gefühle zu wecken, die in der Realpolitik allzu selten geworden sind: Hoffnung und Zuversicht.
Anders als politische Bewegungen zuvor, fechten diese Frauen keine ideologischen Grabenkämpfe aus, führen keine theoretischen Debatten, sondern sprechen konkrete gesellschaftspolitische Probleme an, für die sie Lösungen einfordern. Klima, Waffengesetze, Bildung- Themen, für die sich überparteilich Mehrheiten finden lassen. Sie haben längst von NGOs und Politbewegungen gelernt: Diese Frauen sind keine Einzelkämpfer, sondern vernetzen sich, gründen Organisationen, suchen sich Berater, treten in den Sozialen Netzwerken für ihre Sache ein.
Welchen globalen Beschleunigungseffekt gerade soziale Medien haben, war an der #MeToo-Bewegungen zu beobachten, die reihum mächtige Männer zu Fall brachte. Siehe auch #Blacklivematters, in dem sich Nachrichten über Fälle von Polizeigewalt gegenüber schwarzen US-Bürgern in Windeseile verbreiteten. Der Echoraum Internet setzt die Aufmerksamkeitsspirale in Gang: Je mehr Wirbel junge Frauen online generieren, desto mehr kommen sie auch in traditionellen Medien vor. Bei wichtigen Anlässen wie UN-Konferenzen, Weltwirtschaftsforen oder Massendemonstrationen verstehen sie es, geschliffene und ergreifende Reden zu halten.
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Die größte Krise
"Dies ist die größte Krise, in der sich die Menschheit je befunden hat", sagte Greta Thunberg jüngst bei der UN-Klimakonferenz in Polen: "Unsere Umwelt wird geopfert, damit reiche Leute wie die aus meinem Land im Luxus leben können. Es ist das Leid vieler Menschen, das für den Luxus weniger bezahlt." Was steht auf dem Spiel?
Auch wenn Thunberg erst ans Rednerpult vorgelassen wurde, als viele Regierungschefs bereits abgereist waren - ihre Anklage erregte weltweites Aufsehen. Der YouTube-Clip ihrer Rede wurde hunderttausend Mal geklickt und ungezählte Male geteilt.
1992 sprach die damals 12-jährige Servern Suzuki, die als Vorreiterin der gegenwärtigen Mädchen-Power gelten kann, beim UN-Gipfel in Rio de Janeiro vor: "Wenn Sie nicht wissen, wie man die Schäden repariert, dann hören Sie damit auf, weiter Schäden zu verursachen." Über die sechs Minuten lange Rede urteilte Al Gore, damals US-Vizepräsident, sie sei die beste der gesamten Konferenz gewesen. Das Video von Suzuki wurde seitdem zig Millionen Mal abgerufen.
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Emma González hielt bei dem "March for our lives" in Washington vor Massen von Demonstranten eine Rede gegen Waffengewalt, gegen Ende schwieg sie minutenlang - bis ein Wecker nach exakt sechs Minuten und 20 Sekunden läutete: So lange hatte das Schulmassaker von Parkland in Florida gedauert, das 17 Jugendliche nicht überlebt hatten. González sagte in ihrer Rede: "Und jeder, wirklich jeder aus unserer Schulgemeinschaft hat sich für immer verändert. Jeder, der dabei war, weiß, was ich meine. Jeder, der von der kalten Waffengewalt betroffen war, weiß, was ich meine." Auch diese Rede, übrigens von US-Filmemacher Michael Moore in seinem jüngsten Werk "Fahrenheit 11/9", prominent platziert, verbreitete sich im Internet wie ein Lauffeuer.
Ob der Protest der Frauen nachhaltig etwas bewegen wird? Servern Cullis-Suzuki, die 12-jährige UN-Rednerin von 1992, ist nach wie vor als Umweltaktivistin engagiert. Jüngst sagte sie: "Ich war noch so jung und erinnerte die Leute daran, was hier wirklich auf dem Spiel steht. Und es steht genau das auf dem Spiel, was den Menschen am meisten bedeutet: ihre Kinder." Pessimistischer Nachsatz: "Wir haben es nicht geschafft, die Welt nachhaltiger zu gestalten. Viele Probleme sind noch gravierender geworden." Kein Wunder also, dass sich die Welt nach jungen Hoffnungsträgerinnen sehnt.
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