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Starke Nerven bleiben gefragt

Von Alexander Eberan

Gastkommentare

Die Angst in den globalen Aktienmärkten ist derzeit fast so groß wie bei der Krise 2008. Aber dank der harten Maßnahmen werden die Staaten die Situation in den Griff bekommen.


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Die durch das Coronavirus ausgelöste Pandemie hält die gesamte Weltwirtschaft mit ihren dichten Verzahnungen und damit auch die Finanzmärkte fest im Griff. Abgesehen vom menschlichen Leid gilt es dennoch in solch schwierigen Zeiten, nicht den Blick auf Gesetzmäßigkeiten der Märkte zu verlieren.

Nicht nur Österreich ist jetzt im Krisenmodus. Die globalen Aktienmärkte korrigieren massiv. Es ist nicht überraschend, dass die Volatilität (siehe Chartbild des Volatilitätsindex VIX der US-Aktien), die man als das Angstbarometer schlechthin bezeichnen kann, inzwischen nahezu das Krisenniveau von 2008 erreicht hat. In den nächsten Tagen werden die Katastrophenmeldungen rund um die Verbreitung des Virus vermutlich nicht weniger werden. Denn trotz der extremen Maßnahmen wird die Pandemie noch ungebremst wachsen, sodass aus Sicht des Anlegers weiterhin starke Nerven nötig sind.

Sehr dramatisch ist, dass die USA bisher aus medizinischer Sicht alles verkehrt gemacht haben, was man verkehrt machen konnte. Dort wird es in einigen Regionen zu desaströsen Situationen kommen, vergleichbar mit der aktuellen Situation in Italien. Auch Großbritannien steht nicht viel besser da, und in zahlreichen Schwellenländern wie Indien wird es wahrscheinlich zu Zuständen kommen wie heute im Iran.

Die Karten in den Märkten werden neu gemischt

Das deutsche Robert Koch-Institut vermutete bereits Ende Februar, dass es zu einer Pandemie kommen würde und es nur darum gehen könne, diese über geeignete Maßnahmen zu verzögern. Ein Virus gehorcht gemäß einem Naturgesetz einer Exponentialfunktion. In allen europäischen Staaten, in denen harte Maßnahmen zur Einschränkung von Sozialkontakten eingeführt wurden, wird in acht bis zwölf Tagen nach Beginn der Maßnahmen die Zahl der Neuinfizierten drastisch sinken. Die Exponentialfunktion wird unterbrochen. Gleichzeitig wird mit zunehmender Dynamik die Zahl der Genesenen steigen. Die Situation ist im Griff. Auch wird bis dahin ein flächendeckendes Testsystem installiert sein, und es wird länger dauernde Verhaltensregeln geben, sodass wesentliche Teile der Wirtschaft wieder auf Normalzustand schalten können. Auch wird es wahrscheinlich bald einen Impfstoff geben, denn Viren vom Typ Corona sind aus Sicht der Impftechnologie keine wirkliche Neuheit.

Die Frage, was das konkret für die Wirtschaft und für die Aktienmärkte bedeutet, ist mit deutlich mehr Unsicherheiten behaftet. Aber auch hier gibt es Gesetzmäßigkeiten, die man jetzt schon benennen kann. Es sind nicht nur die Aktienmärkte, sondern auch die Anleihenmärkte in ein neues Regime gesprungen. Abstrakt gesprochen ist eine solche Krise der Wechsel in ein neues Gleichgewicht zwischen Investoren und Unternehmen innerhalb der Wertschöpfung der Wirtschaft.

Die Investoren sind nicht mehr bereit, zu gegebenen Konditionen Risiko zu nehmen beziehungsweise Eigenkapital zur Verfügung zu stellen. Daher kommt es zu einem allgemeinen deutlichen Anstieg der durchschnittlichen Eigenkapitalrendite der Unternehmen (identisch mit einem Kurseinbruch der Aktienmärkte) sowie zu einem allgemeinen deutlichen Anstieg der durchschnittlichen Fremdkapitalrendite der Unternehmen (identisch mit einem Kurseinbruch der risikobehafteten Unternehmensanleihen).

Breit gestreute Investitionen, um Ausfallsrisiken zu vermeiden

Es gilt Ausfallsrisiken zu vermeiden, indem man nicht nur in eine Auswahl von Unternehmen, sondern breit gestreut auf der ganzen Welt investiert. Die Kapitalmarktforschung zeigt, dass es für den Investor langfristig jetzt sehr attraktiv ist, die Rentabilität seines eingesetzten Kapitals zu nutzen und die Aktienquote zu erhöhen. Das ist der Grund, warum antizyklisches Investieren besonders hohe Renditeerwartungen hat. Natürlich muss auch das persönliche Risikoprofil im Einklang mit solchen Entscheidungen stehen, denn in den nächsten Wochen sind natürlich neue Tiefststände nicht ausgeschlossen.

Aber langfristig klärt sich das Bild: Auch die USA sind jetzt bei Nullzinsen angelangt und werden sich davon nicht mehr lösen können. Gleichzeitig wird weltweit zwar die Staatsverschuldung steigen, aufgrund der Niedrigzinsen wird aber die Zinslast der Staaten fallen. Es wird ein enormes Konjunkturprogramm geben, um mehr Redundanzen bei wichtigen Produktionsketten aufzubauen. Und das Wichtigste: Institutionelle Anleger und die Regulationsbehörden werden akzeptieren müssen, dass es keinen risikolosen Zins mehr gibt.

Schon jede Form des realen Kapitalerhalts wird hohe Aktienquoten in den Portfolios erfordern, die Rolle von Staatsanleihen in den Portfolios wird neu definiert. Dies muss fast zwangsläufig dazu führen, dass man künftig auch bei Unternehmen eine deutlich höhere Bewertung akzeptieren muss, wie man es derzeit am Immobilienmarkt sieht. Für den langfristigen Investor erscheint es daher viel wichtiger, den Einstieg nicht zu verpassen, als die Frage, ob es noch einmal neue Tiefststände gibt.