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Füle fordert Beitritt von West- balkan und Türkei. | Visafreiheit für Bosnien, Albanien, Kosovo. | Brüssel. Der tschechische Kandidat für den Posten des Erweiterungs- und Nachbarschaftskommissars ließ es bei seiner Anhörung am Dienstag nicht an Klarheit fehlen, dass er seinen Job sehr ernst nehmen werde. "Erweiterung ist für mich mehr als ein Ressort", kündigte Stefan Füle im EU-Parlament an: "Sie hat mein Land und mein Leben verändert und dazu geführt, dass es wieder Hoffnung und Würde gibt." Die parallel zu ihm befragte künftige Justiz- und Grundrechtekommissarin Viviane Reding agierte routiniert und versprach, Datenschutz ganz oben auf ihre Agenda zu setzen.
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Anders als am Vortag EU-Außenministerin Catherine Ashton, die um die Fragen der Abgeordneten mäanderte, gab Füle eindeutige Antworten: unbedingte Zustimmung zum Beitritt aller Länder am Westbalkan und der Türkei als Ziel der Verhandlungen, Visafreiheit für Albanien und Bosnien-Herzegowina ab Mitte 2010 und später auch für den Kosovo. Mit dem solle unmittelbar ein "strukturierter Dialog" begonnen werden, um das kleine Land nicht aus der EU-Annäherung der Region auszuschließen.
Ihm seien zwar die Probleme bei der Umsetzung der Zollunion der Türkei mit dem EU-Land Zypern bewusst. Noch heuer stellte er aber Fortschritte in Aussicht. "Ich werde ihnen Ende des Jahres Bericht erstatten", versprach er den Abgeordneten. Eine privilegierte Partnerschaft als Alternative zum Beitritt "steht gar nicht zur Debatte". Diese Option hatten Deutschland, Frankreich und Österreich immer wieder als Wunschziel der Gespräche mit Ankara artikuliert.
Testfall Georgien
Island könne bei seiner EU-Annäherung ebenfalls mit seiner Unterstützung rechnen, erklärte der Tscheche. Die Streitigkeiten mit Großbritannien und den Niederlanden um die Rückzahlung von fast vier Milliarden Euro im Fahrwasser der Zahlungsunfähigkeit der Icesave-Bank, hätten darauf keinen Einfluss. Es handle sich nicht um ein Problem der EU sondern bloß zwischen diesen Ländern. Er wollte nicht darauf eingehen, dass solche bilateralen Probleme - zumal mit derartigen EU-Schwergewichten - sehr wohl als grobe Bremse für Island wirken könnten.
Keinen Zweifel ließ Füle daran, dass er bereit sei, Russland die Stirn zu bieten, "wo russische Soldaten stehen": Da er künftig auch für Nachbarschaftspolitik zuständig ist, fallen in sein Ressort Konfliktherde wie Transnistrien in Moldawien und vor allem Georgien. Dieses werde der "große Test" für die Zusammenarbeit mit Ashton in der Außenvertretung der EU, meinte er. Dabei geht es vor allem um die abgespaltenen und von Russland als unabhängig anerkannten georgischen Provinzen Abchasien und Süd-Ossetien.
Nur ein paar EU-Abgeordnete wie der FPÖ-Vertreter Andreas Mölzer oder Barry Madlener von der niederländischen Rechtspartei PVV konnten sich mehr oder weniger deutliche Sticheleien gegen Füles Ausbildung in der Moskauer Elitediplomatenschmiede und seine Karriere in der CSSR nicht verkneifen. Von dem 1989 gestürzten kommunistischen Regime hatte sich der Tscheche bereits mehrfach distanziert. "Ich biete meine Fähigkeiten und Erfahrungen im Geiste der letzten 20 Jahre an", sagte er.
Fokus auf Datenschutz

Die Luxemburgerin Reding steuert unterdessen bereits auf ihre dritte Amtszeit als EU-Kommissarin zu: Auch wenn es um den Kampf gegen den Terror gehe, müssten die Privatsphäre und personenbezogene Daten geschützt werden. Das sei ein Grundrecht, erklärte sie vor Abgeordneten des traditionell datenschutzfreundlichen EU-Parlaments. Auch zwei zuletzt aktuelle Fälle griff sie auf: Ganzkörper-scanner dürften nur unter ganz strengen Auflagen verwendet werden und seien kein Allheilmittel, meinte sie. Bei der Ausarbeitung eines dauerhaften Abkommens zum Austausch der Swift-Bankdaten mit den USA seien die Grundwerte der EU zu beachten.