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Start der Clinton-Show

Von Klaus Stimeder

Politik

Der zweite Tag des Parteitages brachte die formale Nominierung Hillary Clintons zur Präsidentschaftskandidatin.


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Washington D.C./Philadelphia – Eine simple, aber effektive Idee, kein Zweifel. Auf dem großen Bildschirm der Wells Fargo Arena zu Philadelphia, wo die Demokratische Partei Amerikas diese Woche ihre Convention abhält, flackerten am späten Dienstagabend Ortszeit 44 Gesichter, die Geschichte schrieben. Manche mit hohem Wiedererkennungswert (George Washington, Abraham Lincoln, Ronald Reagan), manche mit eher niedrigem (Martin van Buren, Benjamin Harrison, Gerald Ford). Alle waren sie einmal Präsident der Vereinigten Staaten beziehungsweise sind es, wie im Fall Barack Obamas, immer noch – und alle sind sie Männer. Nach dem letzten Porträt schien es, als ob der Bildschirm in tausend Stücke zerspringen würde; ein Special Effect mit einer unmissverständlichen Botschaft, gefolgt von einem kurzen Video, in dem sich Hillary Clinton für die nunmehr auch formal erfolgte Nominierung ihrer Partei zur Präsidentschaftskandidatin bedankte und noch einmal die historische Dimension nämlicher hervor hob.

Es war ein passender Abschluss des zweiten Tages einer Democratic Convention, der, anders als der erste, von relativer Harmonie geprägt war. Wo am Montag noch einige wenige, aber lautstarke Anhänger von Bernie Sanders den Organisatoren mit Zwischenrufen, Sprechchören und da und dort gänzlich unzivilem Ungehorsam Probleme bereiteten – ohne konkretes Ziel, dafür umso lauter – hatte sich die künstliche Aufregung am Dienstag weitgehend gelegt. Zu verdanken war das nicht zuletzt Sanders selbst. Die Parteitags-Dramaturgie hatte dem 74-jährigen Senator aus Vermont eine besondere Rolle zugewiesen: die des symbolischen Königsmachers. Am Ende des sogenannten "Roll Calls", im Rahmen dessen die Delegierten jedes einzelnen Bundesstaats über die Präsidentschaftskandidaten abstimmen, übernahm Sanders persönlich das Mikro und sprach sich für eine "Suspendierung der Regeln und für die Nominierung von Hillary Clinton per Akklamation" aus. Was prompt geschah und ihm die immerwährende Dankbarkeit jener Parteifunktionäre einbrachte, die sich bis zuletzt davor gefürchtet hatten, dass viele seiner – mit den Gepflogenheiten und den Hierarchien einer politischen Partei sichtlich nicht vertrauten – Fans mit ihrem so sinn- wie schmerzbefreiten Radau auch nach dem Ende des Nominierungsprozesses weiter machen würden. (Was nur eine kleine Fraktion tat, die sich gen Pressezelt aufmachte, um dort weiter zu demonstrieren.)

Nachdem einer ersten Feier des Ergebnisses nun nichts mehr im Weg stand, geriet der Abend zum Auftakt dessen, was uns in den kommenden zwei Tagen noch erwartet: der großen Hillary-Clinton-Show. Nachdem zuerst die "Mothers of the Movement" sprechen durften – die Mütter von von der Polizei getöteten, beziehungsweise in Polizeigewahrsam umgekommenen Afroamerikanern, deren Fälle in den vergangenen Jahren die "Black Lives Matter"-Bewegung zeitigten –, warf sich Madeleine Albright für die neue Bannerträgerin der Demokraten ins Zeug. Die ist in ihrem Beruf selbst eine Pionierin: Die in Prag geborene Diplomatin stand von 1997 bis 2001 dem State Department vor und war damit die erste weibliche Außenministerin der US-Geschichte.

Die 79-Jährige kehrte Clintons Erfahrung und deren "beispielhafte Führungsrolle" als Interessensvertreterin Amerikas in der Welt heraus und sparte nicht mit Seitenhieben auf Donald Trump, der laut Albright "dem Land allein schon durch seine Kandidatur schweren Schaden zugefügt hat." Die Konsequenzen einer Wahl des New Yorker Immobilienmagnaten und Ex-Reality-TV-Stars könnten ihres Erachtens klarer kaum sein: "Wenn er gewinnt, gewinnt Putin." Den Hauptteil des Abends in der Wells Fargo Arena bestritt aber einer, der Hillary Clinton am besten kennt: ihr Ehemann. In einer langen Rede fokussierte sich Bill Clinton weniger auf die Politikerin als auf den Menschen Hillary Clinton, der trotz ihrer langjährigen Präsenz auf der öffentlichen Bühne immer noch ein wenig Enigma geblieben ist. Der Ex-Präsident (er regierte von 1992 bis 2000) erzählte von der Studienzeit an der Ostküste, als sie sich kennenlernten, von den Jahren in Arkansas, wo er als Gouverneur seine politische Karriere startete, ebenso wie von der Geburt der gemeinsamen Tochter Chelsea (die ihre Mutter morgen Abend vorstellen wird) und von ihrem ersten Wahlkampf um einen der Senatssitze von New York. Er betonte, wie sie es zu jedem Zeitpunkt ihres gemeinsamen Lebens stets schaffte, diverse Rollen unter einen Hut zu bekommen: Anwältin, Mutter, Bildungsaktivistin, Politikerin.

Das Publikum dankte es dem immer noch so sprachgewaltigen wie charismatischen Ex-Präsidenten, der es im Jahr 2016 zeitweise schaffte, diesem mindestens eine Ahnung davon zu geben, was man in den Neunzigern "Clinton Magic" nannte und ihn zahlreiche politische wie private Skandale überleben ließ. Im Anschluss an Clinton machten noch die mehrfache Oscar-Preisträgerin Meryl Streep und die Sängerin Alicia Keys ihre Aufwartung, gefolgt von der Montage mit den Bildern von allen ehemaligen US-Präsidenten und der Videobotschaft aus Clintons Haus in Chappaqua, New York. Die Zukunft ist weiblich, lautet die Hoffnung – und der Countdown dafür hat jetzt auch ganz offiziell begonnen.