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Start-up Nation Israel

Von Thomas Seifert aus Tel Aviv

Wirtschaft
Duzdar sieht bei Potenzial für Österreichs Start-ups noch Luft nach oben.
© Seifert

Staatssekretärin Muna Duzdar auf Besuch in Tel Aviv, um sich dort Ezzes zu holen.


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Tel Aviv."Früher haben wir Orangen exportiert, heute exportieren wir High-Tech", erzählt der Israeli Eitan Sela, der gemeinsam mit Fadi Swidan, dem arabischen Direktor des Start-up-Zentrums in Nazareth das Programm "Hybrid" gegründet hat. Eitan und Fadi geht es darum, einer größeren Zahl von arabischen Israelis den Weg zur Entrepreneurship zu ebnen. Eitan erzählt, für ihn sei der Dienst in der legendären Armee-Aufklärungseinheit 8200 entscheidend für seinen weiteren Weg gewesen. Dort habe er das Rüstzeug erhalten, das ihn zu einem High-Tech-Unternehmens-Gründer gemacht hat.

Eitan hatte gestern, Dienstag, Besuch aus Österreich. Kanzleramtsstaatssekretärin Muna Duzdar kam ins Gründerzentrum "Wework" im Zentrum von Tel Aviv, um sich dort Ezzes für die österreichische "Digital Roadmap" zu holen, die sie gemeinsam mit Harald Mahrer, Staatssekretär im Wissenschaftsministerium, in den nächsten Wochen präsentieren wird.

Die Wirtschaftskammer ist schon seit einiger Zeit in Tel Aviv aktiv und fördert - neben einem ähnlichen Programm in Silicon Valley in Kalifornien - den Aufenthalt österreichischer Start-ups in der Stadt mit dem Förderprogramm "Go Tel Aviv". Österreichische Gründer sollen von ihren israelischen Kollegen lernen, erklärte der österreichische Wirtschaftsdelegierte Günther Schabhüttl.

Israel ist in der Welt heute als Start-up-Nation bekannt, das Land hat - so behaupten zumindest die Experten - pro Kopf gerechnet die höchste Start-up-Dichte der Welt. Nirgendwo gibt es so viele junge Unternehmer, die sich mit eigenen Erfindungen, Entwicklungen und Geschäftsideen auf den Markt wagen.

Am Montag Abend war Duzdar im Co-Working-Haus "Mindspace", direkt am berühmten Rothschild Bouvelard mitten in Tel Aviv. Das "Mindspace" ist ein Hipster-Eldorado mit türkiser Vespa im Foyer, abgewetzten Lederfauteuil, bunten Tapeten und allerlei coolem Krimskrams in den Regalen. Mit dem Lift geht es nach oben, gemütliche Sitzecken, eine kleine Bar, wo man sich Kaffee, Tee und Soda selbst zubereiten kann. Es gibt ruhige Telefonkabinen, wo die Programmierer und Techies ihre Ruhe haben, und Arbeitskojen, wo junge Menschen auf ihre Bildschirme starren.

Wendy Singer von der Gründerförderorganisation "Start-Up Nation Central" legt der österreichischen Delegation dar, warum Israel so erfolgreich darin ist, schlaue Softwarelösungen und allerlei Innovationen hervorzubringen: Die Regierung gewährt großzügige Steuerprivilegien und räumt den Gründern bürokratische Hürden aus dem Weg. Immigranten werden als Chance gesehen - das Land habe viel von der Zuwanderung von Juden aus der Sowjetunion und aus den postsowjetischen Ländern profitieren können. Eine ganze Reihe von Mathematikern und Technikern aus der Ex-UdSSR hätten den Talentpool über Jahre bereichert. Dazu kommt, so Singer: "Die DNA eines Immigranten entspricht eins zu eins der Erbsubstanz eines Entrepreneurs. Migranten haben sich dazu entschieden, etwas Neues zu beginnen, sie sind also auch bereit, Wagnisse einzugehen."

Ein weiterer Erfolgsfaktor sei die Armee, so Singer: Dort würden junge Menschen gemeinsam Herausforderungen bewältigen und sich bewähren müssen. Es ist vielfach so, dass junge Leute, die sich in der Armee kennenlernen und dort zusammenarbeiten, nach dem Armeedienst gemeinsam Firmen gründen. Die Soft-Skills, die junge Menschen in der Armee lernen, seien ebenfalls ein Erfolgsfaktor: "Risikobereitschaft, Zielorientierung, Führungskultur." Zudem sei die Armee ein soziokultureller Gleichmacher: Durch die Wehrpflicht müssten junge Menschen mit unterschiedlichem sozialen Hintergrund lernen, zusammenzuarbeiten.

"Es gibt aber auch eine Kultur in Israel, in der Scheitern kein Stigma nach sich zieht. Von den gut 1000 pro Jahr gegründeten Start-ups gehen 90 Prozent rasch wieder ein", schildert Singer. Entscheidend sei aber auch eine Kultur der Toleranz des Scheiterns: "Scheitern bedeutet, dass man es nächstes Mal besser machen wird." Das würden auch Investoren so sehen: Sie bauen darauf, dass die Entrepreneure aus Scheitern ihre Lektion lernen.

Kultur der dritten Chance

Eine solche "Kultur der zweiten oder dritten Chance" gebe es in Österreich bisher nicht, räumt Duzdar ein: "Wir brauchen eine Debatte über eine Toleranz gegenüber Scheitern." Auch bei der Forschungsquote gebe es durchaus noch "Luft nach oben", der Staat sei gefordert, Innovation zu fördern. Das Höhe der Gründer-Förderung der Bundesregierung, das Jungunternehmern zugutekommt, beträgt derzeit 185 Millionen Euro.

Die israelischen Gesprächspartner erzählen, dass es im Land durchaus eine digitale Kluft gebe: So seien arabische Israelis oder Frauen in konservativen, orthodoxen Familien digital benachteiligt und hätten viel weniger Zugang zu digitalen Technologien. Duzdar berichtet, dass diese digitale Kluft in Österreich vor allem zwischen den unterschiedlichen Altersgruppen und sozialen und Bildungsschichten bestehe. "Gerade in einer sich durch technologischen Wandel radikal sich ändernden Gesellschaft, darf niemand zurückbleiben. Digitalisierung muss die ganze Gesellschaft durchströmen und darf nicht nur einer kleinen Gruppe nützen. Das ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit." Um die digitale Kluft zu schließen, bedürfe es digitaler Bildung und des Ausbaus der digitalen Infrastruktur.