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Starthilfe

Von Raffaela Singer

Politik

In Wien schießen Gründerzentren für Start-ups aus dem Boden. Neben den Universitäten werden auch immer mehr Konzerne wie etwa A1, Raiffeisen oder der ORF zur Start-up-Kaderschmiede - worin unterscheiden sich Private von Universitären?


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Wien. Wieland Reichelt strotzt vor Selbstvertrauen. Bemerkenswert für einen 29-Jährigen, der mit seinem Unternehmen noch keinen Cent Gewinn gemacht hat. Doch er ist sich seiner Sache sicher. "Raiffeisen hat aus 158 Start-ups in 46 Ländern vier ausgesucht. Und wir sind dabei."

Mit seinem jungen Unternehmen "Evologic Technologies" arbeitet er an einem Produktionsverfahren, das den Preis für die Herstellung eines Pilzes senkt. Mit dem Pilz können die Pflanzen Nährstoffe besser aufnehmen und brauchen weniger Düngemittel. Nach drei Monaten im Gründerzentrum von Raiffeisen Ware Austria (RWA) entscheidet sich der Konzern, ob er mit dem Jungunternehmer weiterarbeiten will oder nicht. Wenn ja, kann er sich mit rund drei Prozent beteiligen, wenn nicht, muss Reichelt die Kurskosten zurückzahlen.

"Es war eine riesige Hürde für mich, den Vertrag zu unterschreiben. Einfach aufgrund der hohen Summe, die sie verlangen." Den Betrag verrät er nicht. Unterschrieben hat er dennoch. "Damit haben wir die Möglichkeit, die Vertriebswege, das Know-how und auch die Marktdaten von Raiffeisen zu nutzen."

Mit den Start-ups in die Zukunft Raiffeisen hat sein Gründerzentrum heuer im Mai eröffnet. Auch A1 und der ORF versuchen sich erst seit kurzem als Start-up-Kaderschmieden. Mit ihnen holen sie sich unkompliziert junge, innovative Ideen ins Haus. "Ein Konzern ist vergleichbar mit einem großen Tanker, der ist nicht so schnell und wendig wie ein kleines Schnellboot. Mit der Kooperation profitieren beide Seiten voneinander", findet Livia Dandrea-Böhm von A1.

Und auch der ORF will mit den Start-ups am Puls der Zeit bleiben. Technologisch und innovativ. Die Jungunternehmen bekommen Infrastruktur wie Büros, Laptops und Beratung zur Verfügung gestellt. Im Gegenzug beteiligen sich die Unternehmen an ihnen. Der Öffentlich-Rechtliche beispielsweise mit etwa sieben Prozent, A1 mit 10 bis 15 Prozent.

Privat oder universitär?

Doch bereits beim Einstieg ins Gründerzentrum verlangen die Unternehmen schon sehr konkrete Projekte von ihren Start-ups, die auch zum Konzern passen müssen. Meist wählt eine Jury aus mehreren hundert Bewerbungen gerade mal drei bis sieben Zukunftshoffnungen aus. Entsprechend hoch ist aber auch die Erfolgsquote: Bei A1 gibt es noch rund 85 Prozent der aus dem Gründerzentrum ausgeschiedenen Start-ups, beim Technologieunternehmen Frequentis sind es 80 Prozent. Auf den Universitäten hingegen sind die Anfangshürden bewusst niedriger.

Eine Idee reicht, um erste Beratungen zu bekommen. "Wir möchten unseren Studenten einfach aufzeigen, dass es die Möglichkeit gibt, ein Unternehmen zu gründen", erklärt der Direktor des Gründerzentrums der Wirtschaftsuniversität, Rudolf Dömötör. Man begreift sich hier nicht als Konkurrenz zu den privaten, sondern viel mehr als Vorstufe. "50 Prozent verfolgen das Projekt weiter und davon wiederum 50 Prozent können sich längerfristig am Markt behaupten", so Dömötör weiter.

Einen ähnlichen, wenn auch etwas umfassenderen Anspruch hat Inits, das Gründerzentrum der Technischen Universität und der Universität Wien. "Es geht uns zwar ebenfalls um Bewusstseinsbildung und erste Beratungen in einem sehr frühen Stadium. Aber auch darum, dass aus den Ideen fertige Produkte und Geschäftsmodelle werden", erklärt Erwin Hemetsberger, Sprecher von Inits. Für welches Modell sich ein Start-up entscheidet, hängt somit sehr stark von seinem Reifestadium ab.

Wieland Reichelt kennt beide Seiten: "Auf der Uni wurde ich sehr stark ermuntert, meine Idee weiterzuverfolgen. Sie haben mir genaue Vorgaben gemacht, bis wann ich was abliefern muss. Das hat mir sehr geholfen." Beim privaten Gründerzentrum hingegen sei die Fokussierung auf das Projekt deutlich intensiver und damit auch die Unterstützung.

Ähnlich sieht es Marcus Schweinzger. Er war mit seinem Start-up "Wuggl" zuerst bei Inits und ist jetzt bei Frequentis. "Das universitäre Gründerzentrum hat sich sehr gut mit dem privaten ergänzt." Was ihm fehlt, ist eine private Anlaufstelle für junge Menschen, die einer Idee nachgehen wollen. "Derzeit erledigen das nur die Unis."

Begriffsdefinition

Doch nicht nur Gründerzentren geben Jungunternehmern Starthilfe, auch die zehn heimischen Crowdinvesting-Plattformen. Sie haben im ersten Halbjahr 2016 mit rund 13,5 Millionen Euro 34 Projekte finanziert. Das sind um fast fünf Millionen Euro mehr als im gesamten Jahr 2015. Doch wie viel Geld davon nun in Klein- und Mittelbetriebe geflossen ist und wie viel in Start-ups, ist unklar. Es hängt davon ab, wie "Start-up" definiert wird. Eine allgemeingültige Definition gibt es nicht. Aus dem Wirtschaftsministerium heißt es dazu nur: "Es wird derzeit an einer Definition gearbeitet. Bis Ende des Jahres wird etwas dazu vorliegen."

Für Wieland Reichelt liegt da eines der größten Probleme. In Wien würde unter "Start-up" meistens nur ein Unternehmen mit einer digitalen Agenda verstanden. "Wer eine App entwickeln will, bekommt hier einen Büroplatz und Investoren. Sobald man aber mehr braucht als Laptop und Schreibtisch, rennst du gegen Wände."

Tatsächlich sind laut einer Studie der Wirtschaftskammer aus dem Jahr 2014 drei Viertel aller Start-ups in Wien dem Bereich "Technologie und IT" zuzurechnen. Forschungsintensive Start-ups, die mehr als das übliche Rüstzeug benötigen, haben es in der Anfangsphase deutlich schwerer. Wieland Reichelt etwa benötigt ein Labor und wissenschaftliche Infrastruktur, um den Pilz zu züchten und seine Idee in die Tat umzusetzen.

Doch das konnte ihm weder das private noch das universitäre Gründerzentrum bieten. Nur durch persönliche Beziehungen hat er schließlich ein Labor gefunden: "Mein Doktorvater hat mir einen bezahlten Platz in seinem Labor eingeräumt. Das ging nur, weil ich an der Technischen Universität meine Dissertation geschrieben habe und im System drinnen war." Sonst, ist er überzeugt, würde er immer noch dastehen und hätte nur eine Idee.