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Startschuss für Reform-Debatten

Von Katharina Schmidt

Politik

SPÖ und ÖVP einig: Wiederwahl steht zur Disposition. | Prammer: Alles tun, um Beteiligung wieder anzuheben. | Wien. Die meisten "Stimmen" bei der Bundespräsidentenwahl hat nicht Heinz Fischer bekommen, sondern die Nichtwähler. Mit 49,2 Prozent ist die Wahlbeteiligung am Sonntag beinahe an den traurigen Rekord der EU-Wahlen herangekommen.


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Abseits des parteipolitischen Hick-Hacks rund um die Frage, wer die Schuld an der niedrigen Beteiligung trägt (siehe Artikel unten), wird auch über systemimmanente Probleme bei der Bundespräsidentenwahl nachgedacht.

Auch wenn es die Parteien nicht zugeben wollen, spielt wohl die fehlende Wahlkampfkostenrückerstattung bei der Wahl des Staatsoberhaupts eine Rolle. Immerhin schlug der Wahlkampf bei Heinz Fischer mit 2 bis 2,5 Millionen Euro zu Buche, für FPÖ-Herausforderin Barbara Rosenkranz wurden rund 1,5 Millionen ausgegeben und Christen-Kandidat Rudolf Gehring investierte 150.000 Euro.

Hätte die Aussicht auf eine Wahlkampfkostenrückerstattung mehr Kandidaten angelockt und damit die Wahl spannender gemacht? Nein, meint der Politologe Hubert Sickinger. Denn auch mit mehr als drei Kandidaten wäre klar gewesen, dass Heinz Fischer das Rennen macht. Das sei etwa für die ÖVP der Hauptgrund gewesen, keinen eigenen Kandidaten aufzustellen. Gleichzeitig habe die fehlende Erstattung allerdings sowohl der Volkspartei wie auch Grünen und BZÖ die Entscheidung, sich nicht an der Präsidentenwahl zu beteiligen, erleichtert.

Gefragt, ob hinter der Tatsache, dass es nur bei der Präsidentenwahl keine Erstattung gibt, machtstrategische Überlegungen der Großparteien stecken, meint Sickinger: "Es gibt keinen Masterplan." Der Effekt sei aber dennoch vorhanden. Durch diese Regelung treten nur jene Kandidaten an, die ein strategisches Ziel - zu gewinnen oder mediale Aufmerksamkeit zu erregen - verfolgen.

"Keine realistische Chance" gegen Fischer

Jene Parteien, die heuer keinen Kandidaten aufgestellt haben, bestreiten freilich jeden Zusammenhang mit der Kostenrückerstattung. So beharren Grüne und BZÖ darauf, dass sie sich den Wahlkampf sehr wohl leisten hätten können. ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger bleibt bei der offiziellen Begründung seiner Partei: Man habe sich auf die anderen Wahlen und die Budgetsanierung konzentrieren wollen, andere Kandidaten hätten auch "keine realistische Chance" gegen Fischer gehabt.

Tatsächlich hat in der Zweiten Republik noch nie ein Bundespräsident eine Wiederwahl verloren. Welchen Sinn macht also eine Wiederwahl, die Wahlwerber und Steuerzahler teuer zu stehen kommt? Immerhin hat der Urnengang am Sonntag laut ersten Schätzungen des Innenministeriums rund 10,5 Millionen Euro gekostet.

Die Regierungsparteien scheinen sich momentan weitgehend einig darin zu sein, dass diese Frage debattiert werden muss. So hat Fischer schon vor der Wahl vorgeschlagen, die Amtszeit des Präsidenten auf eine achtjährige Periode (statt zwei sechsjährige) zu reduzieren, was die ÖVP mit Wohlwollen aufnahm. Am Montag erklärte ÖVP-Chef Josef Pröll, nun liege es an Fischer, diese Diskussion voranzutreiben.

Prammer zu Reform: "Zu früh für Konkretes"

Das sieht auch Kaltenegger so: "Den Ball aufspielen muss Fischer." Außerdem könne diese Debatte erst am Ende des heurigen Wahljahres geführt werden. "In Wahlkampfzeiten über eine Wahlrechtsreform zu reden, hat keinen Sinn."

Auch Nationalratspräsidentin Barbara Prammer will sich keinem Zeitdruck aussetzen. Es sei "zu früh für konkrete Schritte", sagt sie - man werde diese Frage "zu gegebener Zeit angehen". Prammer plädiert für eine größer angelegte Wahlrechtsreform, in deren Rahmen nicht nur die Abschaffung der Bundespräsidenten-Wiederwahl, sondern auch Änderungen bei der Bestellung von Volksanwälten und der Präsidenten des Rechnungshofs wie des Nationalrats überlegt werden könnten. Jedenfalls müssten "alle Anstrengungen unternommen werden, um die Wahlbeteiligung wieder anzuheben", sagt sie.

Grünen-Obfrau Eva Glawischnig sieht Pläne zur Abschaffung der Wiederwahl hingegen skeptisch. Sie meldete demokratiepolitische Bedenken an.