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Startschuss für Team Barroso

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Erstes Abtasten beim EU-Gipfel am Donnerstag. | Prioritäten EU2020, Griechenland, Außenpolitik. | Straßburg. Nach monatelangem Tauziehen ist es am Dienstag soweit: Die neue EU-Kommission unter ihrem Präsidenten Jose Manuel Barroso wird vom Europäischen Parlament bestätigt; per Mittwoch null Uhr ist sie dann auch formell im Amt. | Dossier: Die EU-Kommission Barroso II


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Zunächst muss sich die Kommission in das vom Lissabonner Vertrag geänderte Gefüge der Brüsseler Institutionen einpassen. Dem ohnehin gestärkten EU-Parlament war Barroso noch entgegengekommen, um die Zustimmung zu seinem Team sicherzustellen. So räumte er den Abgeordneten eine Art indirektes Vorschlagsrecht für EU-Gesetze ein, das es bisher nicht gegeben hat.

Ein erster Test für das neue Zusammenspiel ist wohl schon der am Donnerstag anstehende EU-Sondergipfel, den der neue Ratspräsident Herman van Rompuy einberufen hat. Neben den Staats- und Regierungschefs mit jeweils nur einem Begleiter ist auch Barroso in die Bibliothek Solvay im Brüsseler EU-Viertel geladen. Kern der Diskussionen soll der Weg aus der Wirtschaftskrise und die Wirtschaftsstrategie der Union für die nächsten zehn Jahre mit dem Arbeitstitel "EU2020" sein.

Klar sei, dass es eine andere Herangehensweise als bei der - gescheiterten - Lissabon-Strategie geben müsse, sagte Antonio Missiroli, Chefpolitologe des Brüsseler Think Tanks European Policy Studies (EPC). Barroso brauche einen starken Input der Staats- und Regierungschefs, nur die Kommission könne am Ende einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten. Gerüchten zufolge bahnt sich ein Streit darüber an, wer in Zukunft die Erfüllung der gemeinsamen Wirtschaftsziele überwachen soll - wie bisher die Kommission oder doch Van Rompuy?

Ganz oben auf der Agenda steht laut Missiroli auch das Problem mit Griechenland, das in eine Zeit des Kommissionsinterregnums gefallen sei. Der neue Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn werde sich rasch des Themas annehmen müssen. Schon nächste Woche ist sein erster Auftritt beim Treffen der Finanzminister. "Das Problem wird nicht morgen verschwinden", meinte der EPC-Direktor - ebenso wenig wie Debatten über eine eventuelle Neuinterpretation des Stabilitätspakts.

Schon knapp werde darüber hinaus die Zeit für die Ausarbeitung des "Europäischen Auswärtigen Dienstes", erklärte der Politologe. Schließlich soll die neue Behörde von EU-Außenministerin Catherine Ashton bereits im April beschlossen werden, vorher müssen noch die Mitgliedstaaten und das EU-Parlament eine gemeinsame Linie finden. Während die Minister ein möglichst von der Kommission unabhängiges Gremium wollen, sind die Abgeordneten für eine engere Anbindung, weil damit ihre Kontrolle größer ist.

Die Frage der Finanzmarktregulierung, gezielte Vorbereitungen für die nächste Runde der Weltklimaschutzverhandlungen und eine mögliche gemeinsame Migrationspolitik nennt Hannes Swoboda, Vizefraktionschef der Sozialdemokraten, als Prioritäten.

Ringen um Swift

Hitzig für die neue EU-Kommission könnte die Ablehnung des sogenannten Swift-Abkommens zum Austausch von Banküberweisungsdaten mit den USA zur Terrorbekämpfung sein. Die war im Parlament bereits so gut wie ausgemacht. Doch Washington erhöhte den Druck auch auf höchster Ebene: Außenministerin Hillary Clinton hat mit Parlamentspräsident Jerzy Buzek und EU-Außenministerin Ashton persönlich Kontakt aufgenommen, um die Wichtigkeit der Datenauswertung hervorzustreichen. Sollte die Abstimmung wie geplant am Donnerstag stattfinden, dürfte der Ausgang sehr knapp werden; Teile der beiden größten Fraktionen - der Europäischen Volkspartei und der Sozialdemokraten - haben inzwischen bereits ihre Zustimmung signalisiert. Kräfte in der EVP und die Mitgliedstaaten versuchen noch, das Votum zumindest um ein paar Wochen zu verschieben.