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Startschuss für Verhandlungen

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Gesprächsbeginn am 12. Juni. | Verhandlungen mit Türkei von Zypern-Problem überschattet. | Brüssel. Am Montag sollen die inhaltlichen Beitrittsverhandlungen mit Kroatien und der Türkei beginnen. Das erste von 35 Kapiteln soll durchgewunken werden. Denn "Wissenschaft und Forschung" ist an sich unstrittig. Während sich die EU-Botschafter gestern, Donnerstag, auf den symbolischen Schritt für Kroatien rasch einigen konnten, gab es um den Start mit der Türkei heftige Debatten.


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Zypern verlange möglichst strenge Richtlinien für den weiteren Gesprächsverlauf, hieß es in Diplomatenkreisen. Denn die Türkei hat als Vorbedingung für den offiziellen Verhandlungsauftakt am 3. Oktober 2005 seine Zollunion formal auf alle neuen EU-Länder inklusive Zypern ausgeweitet. In der Folge müsste die Türkei ihre Häfen und Flughäfen für zypriotische Schiffe und Jets öffnen.

Auf diese Umsetzung des so genannten Ankara-Protokolls wartet die EU seither. Das wurde in einer Erklärung der EU-Außenminister im September letzten Jahres aber dezidiert verlangt. Sollte der bis zum entsprechenden Prüfbericht der EU-Kommission im Herbst nicht Folge geleistet werden, hat Erweiterungskommissar Olli Rehn bereits eine Unterbrechung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei in Aussicht gestellt.

Keine Anerkennung

Die Regierung in Ankara steht aber vor einem grundsätzlichen Problem. Sie hat zwar das Protokoll unterzeichnet, gleichzeitig aber stets betont, Zypern völkerrechtlich weiterhin nicht anzuerkennen. Öffnet sie nun ihre Häfen für Schiffe, die von zypriotischen Behörden registriert wurden, bedeutete das die Anerkennung dieser Behörden und daher auch des Staates Zypern. Das ist für die derzeit krisengebeutelte türkische Regierung aber innenpolitisch nicht vorstellbar. Stattdessen drängt sie stets auf eine umfassende Friedenslösung für die geteilte Insel abseits der EU-Verhandlungen. Schließlich hätten die Zyprioten im Süden den dahingehenden UN-Wiedervereinigungsplan verhindert, argumentieren sie.

Der türkische Außenminister Abdullah Gül ist für seine konsequente Haltung in der Frage der Anerkennung Zyperns bekannt. Laut türkischen Medienberichten will er zum EU-Außenministertreffen am Montag gar nicht erst anreisen, wenn seinem Land "neue Bedingungen" gestellt würden. Die Zeitung "Radikal" meldete unter Berufung auf diplomatische Kreise eine Wahrscheinlichkeit von 50 zu 50 für einen Boykott.

Um die Forderungen Zyperns nach der Festschreibung der EU-Erklärung vom letzten September und die möglichen Folgen eines negativen Prüfberichts der Kommission verhandelten die EU-Botschafter bis spät in die Nacht.

Schlechtes Zeugnis

Unerfreulich wird es für die türkische Delegation trotz Verhandlungsstart nämlich ohnehin. Denn die Kommission hat für das Treffen einen Bericht vorbereitet, in dem sie Ankara gar kein gutes Zeugnis ausgestellt wird. "Das Reformtempo hat sich im letzten Jahr stark verlangsamt", zitierte die "Financial Times" aus dem internen Dokument. "Im Bereich der Religionsfreiheit kann kein konkreter Fortschritt festgestellt werden", es gebe weiterhin "Berichte über Folter und Misshandlungen" und "zahlreiche Fälle von Personen, die vor Gericht stehen, weil sie gewaltfrei ihre Meinung geäußert haben". Darüber hinaus übe die Armee weiterhin einen zu großen Einfluss auf die Politik im Land aus.