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"Statt 90 Stunden arbeite ich jetzt 60 pro Woche"

Von Christine Zeiner

Wirtschaft

"Es ist eine Mär, dass es jungen Menschen leicht gemacht wird, ein Unternehmen zu gründen." Trotzdem bereue er es keine Sekunde, selbstständig zu sein. Martin Reiter ist Anfang 30 und seit zwei Jahren sein eigener Chef. Gemeinsam mit einem Freund eröffnete er im Juni 2002 die Buchhandlung "Buchlandung", ein so genanntes modernes Antiquariat, in dem es in erster Linie "Mängelexemplare" zu kaufen gibt.


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"Am Anfang war ich 90 Stunden in der Woche im Geschäft. Mittlerweile schaff' ich es mit 60", berichtet Reiter im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Den Schritt in die Selbständigkeit habe er sich gut überlegt, ein halbes Jahr vor der Geschäftseröffnung wurde mit den Vorbereitungen begonnen. "Wir haben uns neben unserer damaligen Arbeit im Internet und bei Bekannten informiert, was man alles braucht, um ein Unternehmen zu gründen."

Seit elf Jahren ist Reiter, seit sieben Jahre sein Kollege Buchhändler. Nach der Handelsschule begann der gebürtige Steirer in Wien mit der Buchhändlerlehre - vorbelastet durch seine Eltern, die ein Papier- und Buchgeschäft betrieben haben. An seinem ehemaligen Arbeitsplatz war Reiter für das moderne Antiquariat zuständig - sozusagen der erste Schritt in die Selbständigkeit. "Als Handelsangestellter wirst du niemals reich werden. Bei mir waren aber nicht nur finanzielle Gründe ausschlaggebend, sondern idealistische", bemerkt Reiter. Die Kontakte zu den Verlagen waren vorhanden, nun galt es, die Idee Realität werden zu lassen. "Die Standortfrage war schwierig. Wir wollten eine halbwegs gute Frequenzlage. In irgendeiner Seitengasse könnte ich wahrscheinlich Daumen drehen, bis er mir weh tut." Reiter und sein Compagnon haben sich "zig" Lokale angeschaut, die von Maklern oder Bekannten vermittelt worden sind. Schließlich wurde man auf der Landstraßer Hauptstraße fündig. Die meisten Arbeiten wurden selbst erledigt: Ausmessen, Regale besorgen, Bücher einkaufen und schlichten. "Ohne meinen Partner hätte ich das nicht gemacht, das Organisieren, Einkaufen, den administrativen Aufwand."

Vor der Eröffnung sei er "sehr nervös" gewesen, erinnert sich Reiter. "Am Abend des ersten Tages war ich aber zufrieden". Die Geschäfte liefen gut, und die Jungunternehmer ließen sich nicht aufhalten: Im Juni dieses Jahres sperrten sie ihre Filiale in der Mariahilfer Straße zum ersten Mal auf. Weitere Geschäfte sollen folgen.

Von Hand verlesen

Die Bücher, die in der "Buchlandung" angeboten werden, sucht Reiter selbst aus. "Sie sind also handverlesen", scherzt er. "Man braucht Erfahrung und G'spür. Und wir schauen, dass wir das haben, was andere nicht haben." Verkauft werden Billigangebote wie Sonderauflagen und "Mängelexemplare". Die Frage, wo denn der "Mangel" bei diesen Büchern liege, klärt Reiter schnell: "Seiten dürfen nicht fehlen, die Bücher haben höchstens kleine äußerliche Mängel. Und wir verkaufen keine Second-Hand-Ware." Neuerscheinungen können aus rechtlichen Gründen nicht angeboten werden, weshalb es in der "Buchlandung" keine Rechts und Wirtschaftsliteratur sowie technische Werke gibt. Ansonsten werden laut Reiter sämtliche Bereiche abgedeckt - von Belletristik über Geschichte bis zu Esoterik und Kinderbücher. "In einer normalen Buchhandlung werden nach der ersten Bestückung immer wieder ein paar Kisterl geliefert. Wir kriegen die Bücher palettenweise rein. Wenn 10.000 Taschenbücher auf einmal kommen, können wir sie nicht nach Autoren sortieren, sondern nur nach Verlagen", erzählt Reiter. Auch CDs und Noten werden verkauft - "das läuft so nebenbei", sagt Reiter. "Das Ganze macht viel Spaß, ist aber Freizeit raubend", resümiert der Buchhändler. Sein Lieblingsbuch ist übrigens "Wittgensteins Neffe" von Thomas Bernhard.