Während sich die meisten Österreicher Gedanken darüber machen, was nach ihrem Tod mit ihrem Vermögen geschehen soll, klammern viele die Frage aus, was mit ihnen selbst passiert, wenn sie - etwa aus Krankheitsgründen - ihre Entscheidungen nicht mehr selbst treffen können. Mit der so genannten Vorsorgevollmacht wollen nun die Notare ein Instrument schaffen, das einer allfälligen Entmündigung vorbeugt.
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Geschätzte 95.000 Demenzkranke gibt es in Österreich, und es werden mehr. Aufgrund der steigenden Lebenserwartungen rechnen Experten wie der Wiener Uni-Professor Johannes Wancata, dass es bis zum Jahr 2050 rund 230.000 Demenz-Kranke in Österreich geben wird. Während unter den 60 bis 65-Jährigen 1 bis 2 Prozent am "langsamen Vergessen" leiden, sind es unter den 80 bis 85-Jährigen bereits 12 bis 15 Prozent. Und über 90 ist bereits jeder Dritte dement.
Erkrankte eine Person psychisch, so dass sie ihre Geschäfte nicht mehr ohne Nachteil für sich wahrnehmen konnte, musste bisher bei Gericht ein Sachwalter bestellt werden, der alle Geschäfte oder bestimmte Geschäfte übernahm. Die Notare sehen darin eine Lücke in der Rechtsvorsorge, die sie mit ihrer neuen "Vorsorgevollmacht" schließen wollen, erklärte gestern der Präsident der Notariatskammer Klaus Woschnak vor Journalisten: "Statt das Feld der Fremdbestimmung zu überlassen, wählt man rechtzeitig eine Vertrauensperson, die die Geschäfte im Fall einer Krankheit oder in einem sonstigen Krisenfall übernimmt."
Die Vorsorgevollmacht regelt unter anderem, wer in welchem Umfang Bankgeschäfte erledigt, wer für die Wohnung und die Bezahlung der Miete sorgt, wer die Obsorge der Kinder übernimmt oder welche medizinischen Behandlungsmöglichkeiten in welchem Spital ergriffen oder ausgeschlossen werden sollen. Wie Woschnak darlegte, wird eine Kopie der Vollmacht beim Notar verwahrt werden. Die Existenz einer Vorsorgevollmacht wird (ab März) in einem elektronischen Register festgehalten. Kosten des Service: Ab 200 Euro (plus 18,50 Registrierungsgebühr).
ABGB-Novelle in Arbeit
Gesetzlich ist die Vorsorgevollmacht derzeit nicht explizit geregelt. Die Notare berufen sich auf die Regeln des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs. Woschnak hofft allerdings, dass die Novelle des Sachwalterrechts, an der gerade im Justizministerium (BMJ) gearbeitet wird, das Modell und das Register im Gesetz festschreibt. Schlecht dürften die Chancen dafür nicht stehen. Wie Peter Barth aus dem Justizministerium gegenüber der "Wiener Zeitung" bestätigt, findet sich im provisorischen Reformpapier nicht nur die von den Notaren gewünschte Vorsorgevollmacht und das dazugehörige Register. So soll es nahen Verwandten (Ehegatten, Lebensgefährten, Kindern und Eltern) möglich werden, Alltagsgeschäfte für ihre Angehörigen abzuschließen, ohne dass eine Vollmacht oder eine Sachwalterschaft vorliegt. Barth: "Im Detail ist freilich noch vieles umstritten. Einem Missbrauch soll jedenfalls vorgebeugt werden." Im bzw. kurz nach dem Sommer soll der Begutachtungsentwurf fertig sein. Hintergrund des Gesetzes ist nicht zuletzt auch die derzeitige Überlastung der Gerichte: Nach einer ersten Erhebung des BMJ gibt es laut Barth derzeit in Österreich 50.000 Personen, die einen Sachwalter haben. Ein absoluter Höchststand. Barth: "Die Leute werden immer älter und die Bürokratie nimmt immer mehr zu. Überspitzt gesagt, drohen die Österreicher ein Volk von Besachwalteten zu werden." n
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