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Statt Gesundheitsreform lieber Pharma-Bashing

Von Ernest G. Pichlbauer

Gastkommentare
Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom und Publizist.

Weil in der Gesundheitsreform nichts weitergeht und nun auch der Finanzplan zu scheitern droht, zeigt die Gesundheitspolitik ihren Zynismus.


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Eigentlich würde die Reform vorsehen, dass Behandlungs- und Versorgungsprozesse inklusive der Versorgung mit Medikamenten sektorenübergreifend am Patientenbedarf zu orientieren sind. Ein Blick in den von der OECD erhobenen Medikamentenverbrauch (in Tagesdosen) bei Volkskrankheiten zeigt, dass es eine bedarfsgerechte Versorgung ganz offensichtlich nicht gibt.

In Österreich werden etwa nur halb so viele blutdrucksenkende Medikamente verbraucht wie in der EU. Mit diesem Verbrauch liegen wir abgeschlagen an letzter Stelle. Gleiches gilt für Diabetes-Medikamente, auch hier liegen wir an letzter Stelle und erreichen kaum die Hälfte des EU-Schnitts. Die "zweitschlechtesten" Dänen verbrauchen bereits um ein Drittel mehr. Bei den blutfettsenkenden Medikamenten liegen wir nicht an letzter, sondern vorletzter Stelle - da hat Estland die rote Laterne, und der Abstand zum EU-Schnitt beträgt "nur" 50 Prozent.

Natürlich kann und muss man sich fragen, inwieweit der Medikamentenkonsum von der Pharmaindustrie nach oben getrieben wird. Betrachtet man aber solche Fakten, muss man sich viel dringender fragen, ob Patienten bei uns kriegen, was sie brauchen. Schließlich liegen wir weit hinter Ländern, die strikte Regeln haben, um sich am Patientenbedarf zu orientieren und Überversorgung zu verhindern. Dann wird klar, dass in Österreich Millionen von Patienten offensichtlich unterversorgt sind, was in der Folge dazu führt, dass Krankheitsverläufe schwerer als nötig sind und medikamentös vermeidbare Krankenhausaufenthalte nicht vermieden werden.

Da liegt der politische Gewinn: Kassen geben weniger für Medikamente aus, und Länder können sich über ausgelastete Spitäler freuen.

Dass das zynisch ist, stört große Politik nicht. Und wie wenig diese daran etwas ändern will, erkennt man an diesen Zwangsrabatt-Ideen. Laut einem Gesetzesentwurf von Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser muss die Pharmaindustrie in den Jahren 2016 bis 2018 jeweils 125 Millionen Euro an Rabatten gewähren, um den Finanzplan der Reform, und nur diesen, einzuhalten. Das sind knapp sechs Prozent ihres Umsatzes mit den Krankenkassen.

Ein Rabatt wohlgemerkt, der sich auf Preise bezieht, die gesetzlich von vornherein unter dem europäischen Mittelwert liegen müssen (unsere Medikamentenpreise sind, im Unterschied etwa zu Deutschland, weitgehend reguliert).

Anders ausgedrückt: der Pharmabranche wird die nächsten Jahre ein Null-, wenn nicht sogar ein Minuswachstum per Gesetz verordnet. Und das, nachdem die Branche seit 2008 in Österreich kein reales Wachstum mehr aufweist.

Zu glauben, dass wir mächtig genug sind, die Margen der Pharmaindustrie zu reduzieren, ist planwirtschaftliche Allmachtsphantasie. Was wir sehen werden, ist eine Reduktion der Produktionskosten - und zwar um etwa sechs Prozent unter den europäischen Mittelwert - was nichts anderes heißt, als dass Forschung und Fertigung abwandern werden und, wenn alles schief geht, sogar Medikamente vom Markt verschwinden oder nicht eingeführt werden.

Denn, auch wenn manche es gerne hätten, die Pharmabranche wird nicht wie ein Sündenbock ruhig stehen.