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Um Bürgernähe bemüht sich die Volkspartei. Als "größte Kommunikationsoffensive dieser Republik" wird eine Reihe von Veranstaltungen bezeichnet, die in den kommenden Monaten die Kontakte zwischen Bevölkerung und Parteivertretern intensivieren soll. Im Rahmen der "Bürgergespräche" wandte sich gestern Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ans Volk - vor einer Konditorei in der Kärntner Straße.
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Das hektische Vormittags-Treiben in der Kärntner Straße ließ die Vorbereitungen für den Bundeskanzlerauftritt zunächst im allgemeinen Trubel untergehen. Doch als immer mehr Journalisten und ÖVP-Funktionäre eintrafen, stieg auch das Interesse der Passanten. Die Tische vor der Konditorei füllten sich, die Zahl der Zaungäste wuchs.
"Ist das eine Privatveranstaltung oder ist das öffentlich?" fragt die junge Frau, die vor der Konditorei Platz nehmen will. Als sie darüber aufgeklärt wird, dass der Bundeskanzler mit der Bevölkerung sprechen möchte und das sehr wohl öffentlich ist, scheint sie wenig beeindruckt. "Eigentlich wollte ich nur frühstücken", meint sie. Eine Stunde später stellt sie dann doch eine Frage an Wolfgang Schüssel: Sie möchte von ihm wissen, wie er dazu stehe, dass in den letzten Wochen drei Menschen nichtösterreichischer Herkunft im Gefängnis und bei einer Drogenrazzia ums Leben gekommen sind.
Aus der Fassung lässt sich der Kanzler nicht bringen, auch nicht von unangenehmen Fragen wie der nach dem Zeitpunkt seines Rücktrittes. Er sei für den härtesten Kampf gegen Drogenhändler, auch wenn dabei natürlich niemand zu Tode kommen sollte. Sein Rücktritt werde noch auf sich warten lassen, erklärte Schüssel. Vielmehr wolle er sich darum bemühen, auch jene "für eine vernünftige Politik" zu gewinnen, die der Regierung kritisch gegenüber stehen.
Wohltuend waren im Vergleich dazu die Sympathiekundgebungen, die aus den ersten Reihen vor dem aufgebauten Podium kamen. Dank erhielt Schüssel von einer älteren Dame dafür, dass die ÖVP nicht nur "die rote Politik überstanden" hat, sondern sich auch von der Redeweise Jörg Haiders nicht beirren ließ, der "zwar meistens Recht hat, aber immer das enfant terrible Europas bleiben wird". FPÖ und die Maßnahmen der 14 EU-Staaten waren dann ebenso ein Thema wie Zivildienst, Integration oder die Erhöhung der Kfz-Steuer. Der FPÖ-Regierungsmannschaft streute Schüssel Rosen und verwies auf Gemeinsamkeit auch auf privater Ebene. Was mit SPÖ-Vertretern nicht möglich gewesen sei, kam mit den freiheitlichen Kollegen zustande: Ein gemeinsamer Besuch im Tiergarten Schönbrunn.