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Statt Schwulenparade gab es Prügel

Von Ulf Mauder

Politik

Teilnehmer wollten Petition für Recht auf Versammlungsfreiheit überreichen. | Mehrere westliche Politiker vorübergehend festgenommen. | Moskau. (dpa) - Russlands Schwulen und Lesben hat die Sicherheitspolizei Omon auf dem Moskauer Prachtboulevard Twerskaja keine Chance gelassen. Die friedlichen Demonstranten kamen am Sonntag erst gar nicht zum Rathaus von Bürgermeister Juri Luschkow. Extremisten schlugen und traten auf die Homosexuellen ein. Orthodoxe Gläubige beschworen die "Ehre Russlands" und skandierten: "Russland ohne Pädophile".


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"Wir wollten ohne Provokation lediglich eine Petition für das Recht auf Versammlungsfreiheit im Bürgermeisteramt einreichen", sagte der deutsche Grünen-Politiker Volker Beck in Moskau. Er wurde wie andere westliche Politiker und Teilnehmer vorübergehend festgenommen.

Beck beklagte, dass eine Gegenveranstaltung der Neonazis und Religiösen mit jeweils 200 Teilnehmern am Vortag nicht verboten worden sei. Als Beck zusammen mit anderen europäischen Politikern den Autokonvoi verließ, kam er nicht weit. Einsatzkräfte packten den 46-Jährigen, der mit seinem Freund zu dem Treffpunkt kam. Eine Tomate und ein Ei trafen den Abgeordneten, der im vorigen Jahr in Moskau blutig geschlagen worden war.

Dabei hatten die Homosexuellen an diesem sonnigen Tag auf schrill-bunte T-Shirts, Plakate und Abzeichen bei ihrer Aktion nahe dem Moskauer Rathaus bewusst verzichtet. Unter den Sicherheitsvorkehrungen sei mehr nicht mehr möglich gewesen - und schon gar keine Parade, teilten die russischen Organisatoren mit. "Selbst für die russischen Menschenrechtler sind die Rechte der Homosexuellen noch immer recht neu", sagte Organisator Nikolai Alexejew.

Während Aktivisten auf der Twerskaja-Straße das Gespräch mit Passanten suchten, um für Toleranz zu werben, traten und schlugen mehrere Jugendliche und ältere Männer auf einen Teenager ein, bis er mit blutender Nase am Boden lag. Die junge Moskauerin Ljubow Manschewa warf sich couragiert zwischen die Angreifer und den jungen Mann. "Jeder hat ein Recht darauf, so zu leben wie er will", rief sie.

Bürgermeister Luschkow hatte die Schwulen-Parade im Vorfeld als "satanische Handlung" gebrandmarkt und verboten. In Russland galt das Verbot gleichgeschlechtlicher Liebe aus Sowjetzeiten noch bis 1993. Die Devise null Toleranz für bekennende Schwule und Lesben gilt allerdings für den Kreml und bei den Rechtsradikalen bis heute.

Britischer Diplomat in Sibirien verprügelt

Opfer eines gewaltsamen Übergriffs wurde in Russland am Wochenende ein britischer Diplomat. Unbekannte schlugen den Ersten Botschaftssekretär, Nigel Gould-Davies, in der sibirischen Stadt Tschita beim Abendspaziergang zusammen. Der Grund war zunächst unklar, der Vorfall steht aber nicht in Zusammenhang mit den Ereignissen in Moskau.