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Status quo als Premiere

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Mitte-Rechts-Regierung behält Mehrheit - überraschender Dritter.


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Warschau. Dass etwas bleibt, wie es war, ist in Polen etwas Neues. Zumindest was die Regierung in Warschau anbelangt. Nach 1989 wurde noch jedes Kabinett abgewählt. Aber Donald Tusk hat diesen Kreis durchbrochen. Als erster Premier ist er bei einer Parlamentswahl bestätigt worden. Seine linkskonservative Partei Bürgerplattform (PO) ist beim Urnengang am Sonntag stimmenstärkste Fraktion geworden, gefolgt von der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jaroslaw Kaczynski. Die PO könnte mit ihrer bisherigen Koalitionspartnerin, der Bauernpartei PSL, eine knappe Mehrheit im Parlament bilden und so die Regierungszusammenarbeit fortsetzen.

So versprach Tusk den Polen, "für euch alle zu arbeiten, egal, wen ihr gewählt habt". Er äußerte den Glauben, dass "die nächsten vier Jahre besser werden und unsere Arbeit schneller vorankommt". Der Premier weiß nämlich um die Enttäuschung etlicher einstiger PO-Anhänger, die sich von der Fraktion größere Umbrüche erhofft hatten. Etwa der Ausbau der Infrastruktur - wie Straßenbau - oder die Neustrukturierung des Staatshaushalts sind weit hinter den Zielen der PO geblieben.

Platz drei mit linken Ideen

Die Unzufriedenheit mit den Regierenden drückte sich aber nicht nur im leichten Stimmenverlust für die Bürgerplattform oder der niedrigen Wahlbeteiligung aus - nicht einmal jeder zweite Pole schaffte es an die Urne. Sie zeigte sich auch in einer überraschend hohen Unterstützung für eine Gruppierung, die sich erst vor kurzem formiert hatte. Jeder zehnte Wähler stimmte für die Bewegung des früheren PO-Abgeordneten Janusz Palikot, die auf Anhieb drittstärkste Partei wurde.

Palikot, der oft mit provokativen Auftritten von sich reden machte, versuchte sich mit einem betont linken Programm von den anderen Parteien abzuheben. Er scheint damit nicht nur Protestwähler angesprochen zu haben, sondern auch jene, die den Einfluss der katholischen Kirche auf die Politik eingeschränkt sehen wollen. Er plädiert für einen "weltlichen Staat" und eine Besteuerung der Kirchen, ist für die Eintragung homosexueller Partnerschaften, die Legalisierung weicher Drogen und ein liberales Abtreibungsrecht. All das sind Punkte, die die Bürgerplattform etwa nicht mittragen würde. Diese ist zwar wirtschaftsliberal, aber gesellschaftspolitisch durchaus konservativ.

Rücktritt an SLD-Spitze

Mit diesen linken Forderungen überrundete Palikot sogar das Bündnis der Demokratischen Linken (SLD), das nur etwas mehr als acht Prozent der Wählerstimmen erhielt. Parteivorsitzender Grzegorz Napieralski zog auch schon die Konsequenz aus den massiven Stimmenverlusten. Er kündigte an, sein Amt zur Verfügung zu stellen. Bei einem vorgezogenen Parteitag - ursprünglich war der für kommenden Sommer geplant - soll der Wechsel an der SLD-Spitze erfolgen.

Kaum mehr Stimmen als die SLD erhielt die Bauernpartei PSL. So werden im künftigen Parlament fünf Fraktionen vertreten sein. Investoren zeigten sich zufrieden mit dem Wahlergebnis, sie hoffen auf weitere Reformschritte. So will die Bürgerplattform heuer ein Privatisierungsprogramm im Umfang von rund 3,4 Milliarden Euro durchführen. Doch muss sie auch die Staatsverschuldung und das Budgetdefizit in den Griff kriegen. Beide könnten heuer auf fast 54 beziehungsweise 5,6 Prozent wachsen.