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Die EU-Erweiterung ist nicht unbedingt die Ursache für neue Verkehrslawinen, die auf Österreich ab 2010 hereinbrechen werden, sondern die falsche Lenkung der Waren- und Personenströme. Zu diesem Schluss kommt die neueste Studie des Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Das heimische Straßennetz ist schon längst fit für die Erweiterung, die Schieneninfrastruktur werde hingegen sträflichst vernachlässigt. Der VCÖ fordert eine Umreihung im Generalverkehrsplan, eine stauabhängige Bemautung von Stadtautobahnen sowie eine Verkehrserregerabgabe auf Gratis-Parkplätze und Parkhäuser.
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"Die EU-Erweiterung wird heute gerne als Auslöser neuer Verkehrslawinen dargestellt. Jedoch ist es nicht die Erweiterung, die der Bevölkerung neue Verkehrsbelastungen beschert. Vielmehr werden Straßenprojekte, die heute mit dem Argument der Vorbereitung auf die Erweiterung geplant werden, die Verursacher der ausufernden Verkehrszuwächse sein." Das Fazit, das Wolfgang Rauh, Leiter des VCÖ-Forschungsinstitutes, aus der Studie zieht, dürfte manchem Politiker die Legitimation für weitere Autobahnprojekte entziehen: "Denn wollen wir dem totalen Verkehrskollaps vorbeugen", so dürfte weder die Nordautobahn (A5) noch die B 301 gebaut werden. Den Grenzübergang Drasenhofen passieren derzeit 6.000 Fahrzeuge pro Tag, in 13 Jahren sollen es mehr als 13.800 sein. Der Bau der Nordautobahn ist laut VCÖ-Studie aber erst ab 20.000 Fahrzeugen sinnvoll. "Wird die A5 dennoch gebaut, so hat dies eine verkehrserregende Wirkung," erklärt Rauh. Dann würden 2015 mehr als 18.100 Fahrzeuge die Grenze überqueren - eine Verdreifachung des derzeitigen Verkehrsvolumens.
Ostregion: Zweiter Brenner
Eine verheerende Auswirkung hätte der Bau allerdings auf Wien. Ab 2015 sei mit zusätzlichen 16.000 Fahrzeugen zu rechnen. "Dieser Zuwachs ist zu 93 Prozent auf die Zunahme des lokalen und regionalen Verkehrs zurückzuführen und nur zu 7 Prozent auf die Erweiterung." Rauh beziffert den Schaden, der dem Ballungsraum durch Stau, Parkplatzsuche und Umweltbelastung entsteht, mit 12 Mill. Euro pro Jahr. Um diesen Verkehrshorror erst gar nicht entstehen zu lassen, schlägt Rauh den raschen zweigleisigen Ausbau der Bahn zwischen Wien und Wolkersdorf und die Elektrifizierung der Strecke Mistelbach-Laa an der Thaya vor. Auch dem südlichen Niederösterreich drohe ein massives Verkehrsproblem, wenn nur die Semmering-Schnellstraße (S6), nicht aber der Semmering-Basistunnel gebaut werde. "Die Bahn verliert dann einen beträchtlichen Teil an die Straße." Und die düstere Prognose des VCÖ lautet: 2010 hat der Semmering eine höhere Lkw-Belastung als der Brenner. Durchschnittlich 6.400 Lkw werden dann über den Semmering donnern. Die einzige Lösung sei der zügige Ausbau der Südbahn zwischen Wien und Graz.
Ohne Lenkungsinstrument werde der Güterverkehr auf der Straße exorbitant zunehmen. Im Jahr 2010 könnten auf Österreichs Straßen 25,7 Mill. Tonnen - dreimal soviel wie jetzt - unterwegs sein. Die Lkw-Maut müsse rasch eingeführt werden, eine Ausdehnung auf alle Straßen wäre sinnvoll. Straßenflächen, mittlerweile knappe Güter, müssten ihren Preis haben. Der VCÖ schlägt daher für Pkw eine stauabhängige Bemautung vor. London wird dieses System 2003 einführen. Dieses Road-pricing für Pkw würde erstmals marktwirtschaftliche Prinzipien im Straßenverkehr schaffen.