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Stehaufmännchen auf Steroiden

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

Eines ist fix: Bei den Republikanern führt an Donald Trump endgültig kein Weg mehr vorbei.


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Washington D.C. Wie sich das noch irgendwie ausgehen soll ohne den Mann mit der lauten Stimme und der gewagten Frisur traut sich seit dem jüngsten "Super-Tuesday" endgültig keiner mehr zu sagen. Dabei ist es noch kein Monat her, dass sich praktisch alle publizistischen Begleiter des US-Vorwahlkampfs einig waren: Donald Trump ist politisch erledigt. Spätestens nach seiner Forderung, dass Frauen, die abtreiben, vom Staat bestraft werden sollen, herrschte allgemeiner Konsens darob, dass er es diesmal definitiv zu weit getrieben hatte. Alle Weichen für einen langsamen, aber am Ende unvermeidbaren Abstieg des New Yorker Immobilien-Magnaten in der Wählergunst schienen gestellt. Anfang des Monats verlor er in Wisconsin, ob seiner demografischen Struktur von jeher ein Schlüssel-Bundesstaat bei den Vorwahlen wie im Hauptbewerb, haushoch gegen Ted Cruz, auf den sich das Partei-Establishment zu diesem Zeitpunkt des Rennens - unter heftigem Zähneknirschen aber doch - als ihren Bannerträger geeinigt hatte.

Ende April schaut alles ganz anders aus und wie, das hätte sich niemand ernsthaft zu prophezeien getraut. Vorgestern schritten die Bürgerinnen und Bürger in fünf, allesamt im Nordosten des Landes gelegenen Bundesstaaten zur Wahl: Pennsylvania, Maryland, Connecticut, Delaware und Rhode Island. Während das Ergebnis auf Seite der Demokraten eindeutig, aber nicht aufregend ausfiel - Hillary Clinton gewann in allen außer einem, Bernie Sanders blieb als Trostpflaster Rhode Island - kam es bei den Republikanern zu einem, das mit denkwürdig nur unzureichend beschrieben ist. Schon als am frühen Abend die ersten Teilergebnisse eintrafen, war klar, dass er seine zwei verbliebenen Gegner, den texanischen Senator Ted Cruz und John Kasich, den Gouverneur von Ohio, nicht geschlagen, sondern gedemütigt hatte.

Eine Demütigung

Nicht nur, dass der 69-jährige Billionär von Hartford bis Pittsburgh an erster Stelle landete. Die Abstände zum jeweiligen Zweitplatzierten - das war viermal John Kasich, einzig in Pennsylvania erkämpfte Cruz den Vizemeistertitel - betrugen diesmal bis zu 40 Prozent. In Worten: Vierzig. Von insgesamt 198 an diesem, dem dritten sogenannten "Super Tuesday" zu vergebenden Delegiertenstimmen erhielt Trumps größter Widersacher Cruz am Ende des Tages original drei. Kasich, der mit 153 Mann bisher noch nicht einmal die Delegiertenzahl des längst ausgeschiedenen Marco Rubio (171) erreicht hat, gewann fünf. Insofern erscheint es fast legitim, dass der Sieger, als er nach Bekanntwerden der Ergebnisse vor die Kameras trat, forderte, dass sich beide Kandidaten angesichts der normativen Kraft des Trumpischen am besten schnell und umstandslos ergeben sollten: "Ich glaube nicht, dass sich angesichts der Ergebnisse von heute noch die Frage stellt, wer der designierte Nominierte der Republikanischen Partei ist: Ich."

Tatsächlich hat der Mann, der, nur zum Beispiel, eine Mauer an die Grenze zu Mexiko bauen, keine Muslime mehr einreisen lassen und sämtliche Außenhandelsverträge neu verhandeln will, allen Grund, sich darüber zu mokieren, warum Cruz, Kasich und das Establishment nicht endlich der Wahrheit ins Gesicht schauen: Ungeachtet dessen, was passiert - ohne ihn und seine Wähler geht de facto nichts mehr. Dabei hatten die Kandidaten wie die Geldgeber der Partei in den vergangenen Wochen alles, aber wirklich alles in die Waagschale geworfen, um den Vormarsch des "Trumpeteers" wenn schon nicht zu stoppen, dann zumindest entscheidend zu verlangsamen.

Teilweise anonym, teilweise namentlich, warfen die Sponsoren der "Never Trump"-Bewegung im April hohe zweistellige Millionensummen in die Schlacht um die Stimmen der Basis. Der Abwehrkampf ging gar so weit, dass sich die beiden Rivalen Kasich und Cruz Ende vergangene Woche formal verbündeten. Motto: Der Feind meines Feindes ist mein (Partei-) Freund. Die beiden schlossen einen Pakt, der de facto einem Waffenstillstand bis zum sommerlichen Parteitag in Cleveland gleichkommt: Beide ziehen sich ab sofort wahlkampftechnisch aus all jenen Bundesstaaten zurück, in denen der jeweils andere laut den Umfragen keine Chance hat, Trump zu besiegen. Ziel: Trumps Zahl an Delegiertenstimmen mit Biegen und Brechen unter der magischen Marke von 1237 zu halten, die ihm die Nominierung garantieren würde.

Fiorina ist Cruz’ Vize

Geht der Plan auf, käme es von 18. bis 21. Juli am Parteitag in Cleveland zu einer Kampfabstimmung mit offenem Ausgang. Derzeit liegt Trumps Delegiertenanzahl bei 953. Die nächste, allen maßgeblichen Faktoren nach vorentscheidende Schlacht im Kampfe Trumps gegen seine eigene Parteiführung findet bereits kommende Woche statt. Ob Cruz bis dahin durchhält, ist fraglich. Doch seit Mittwoch hat er immerhin eine Mitstreiterin: Er kürte seine vormalige Konkurrentin um die republikanische Präsidentschaftskandidatur (die früh auf der Strecke blieb) und ehemalige Geschäftsführerin des Technologiekonzerns Hewlett-Packard, Carly Fiorina, zu seiner Vizepräsidentschaftskandidatin.

Am 3. Mai stimmt Indiana darüber ab, wen es als Nachfolger von Barack Obama im Weißen Haus sehen will. In den Umfragen liegt Trump voran, aber nachdem Kasich dort das Feld zugunsten von Cruz geräumt hat, galt der Ausgang als offen. Fest steht indes mittlerweile der Ort und die Zeit, an denen sich spätestens alles entscheiden wird: in Kalifornien, am 7. Juni. Der mit Abstand größte Bundesstaat der Vereinigten Staaten, normalerweise dank seiner Platzierung ganz hinten im republikanischen Vorwahlkalender nur mehr als Fingerübung für den "richtigen" Wahlkampf im Herbst angesehen, wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Schauplatz des großen Showdowns werden.

Es dürfte ein Kampf für die Geschichtsbücher werden, nicht zuletzt deshalb, weil es von Sacramento bis Diego nicht gerade von Republikanern wimmelt. Kalifornien, das rund so viele Einwohner hat wie Spanien, ist seit nunmehr rund zwei Jahrzehnten fest in Hand der Demokraten.

Dass sich ausgerechnet in dieser liberalen Hochburg des Landes das Schicksal der Grand Ole Party entscheiden wird, entbehrt deshalb nicht einer gewissen Ironie. Aber irgendwie scheint es auch passend: Der Schutzheilige der Republikanischen Partei, der praktisch täglich von allen drei Kandidaten angerufen wird, heißt Ronald Reagan. Der startete an der Westküste nicht nur seine Schauspieler-, sondern auch seine politische Karriere.