Zwei Frauen berichten von einem Neubeginn, der nicht gelingen kann.
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Es sind die Chemiewaffen-Experten in Syrien, die derzeit im Mittelpunkt der internationalen Aufmerksamkeit stehen. Abseits davon wird immer noch erbittert zwischen Armee und den verschiedenen Rebellen-Fraktionen gekämpft, das Flüchtlingselend nimmt täglich zu. Die "Wiener Zeitung" hat im armenischen Jerewan mit Marina Usubi und Tania Andonian gesprochen, zwei armenisch-syrischen Frauen, die aus Aleppo geflohen sind und jetzt um ihre Existenz kämpfen müssen.
"Wiener Zeitung": Wie sind Sie nach Jerewan gekommen?
Marina Usubi: Ich bin im August des vergangenen Jahres mit der Familie gekommen. Wir hätten nie gedacht, dass die Situation in Syrien so dramatisch wird. Ganz in unserer Nähe war eine Polizeistation, gleich vor der St.-Georgs-Kirche, im armenischen Teil der Stadt (in Aleppo leben rund 35.000 Armenier, Anm.). Die Station ist dreimal angegriffen worden, überall auf der Straße waren die Terroristen, alle schwer bewaffnet. Wir sind zuhause gesessen und hatten Angst. Drei Monate lang. Kämpfer haben mittlerweile die Türen aufgebrochen und alles, was sie finden konnten, mitgenommen.
Tania Andonian: Ich bin mit meinem Sohn als Touristin hierher gekommen. Mein Mann ist zunächst in Syrien geblieben. Aber als klar wurde, dass sich die Lage verschlechtert, ist auch er nach Armenien geflohen. Mein Vater und meine Mutter haben hier gelebt, sie sind mittlerweile gestorben. Ich bin in der Hoffnung hierhergekommen, bald wieder zurückzukönnen.
Haben Sie noch Freunde in Aleppo?
Andonian: Nein, alle sind geflohen, manche sind auch in der Türkei und haben dort ein Haus gemietet. Die Armenier werden dort akzeptiert.
Wie positioniert sich eigentlich die armenische Minderheit in Syrien? Ist sie für Assad oder unterstützt sie die Rebellen?
Usubi: Wir Armenier in Syrien sind für Assad. Sein Vater hat sich gegenüber den Armeniern gut verhalten, er hat es toleriert, dass wir unsere Kultur leben und armenische Schulen errichten können. Wir haben ein gutes Leben gehabt. Es gibt viele Nationalitäten in Syrien, aber Assad hat dafür gesorgt, dass alle friedlich nebeneinander leben. Niemand hatte das Gefühl, stigmatisiert zu sein. Es gab kaum Arbeitslosigkeit, jeder hatte einen Job und ein Einkommen. Es hat genug zu Essen gegeben.
Es sieht aber so aus, als wären nicht alle in Syrien so zufrieden gewesen.
Usubi: Das stimmt schon. Es war nur eine politische Partei im Land zugelassen. Keiner konnte offen reden. Aber es gab Frieden und man konnte sich auch in der Nacht auf die Straße wagen.
Werden armenische Männer zur syrischen Armee eingezogen?
Usubi: Nein, die müssen nicht kämpfen.
Wie ist das Leben in Armenien?
Usubi: Schwierig. Es gibt keine Jobs und die, die es gibt, sind sehr schlecht bezahlt. Ich arbeite im Spital als Ärztin und verdiene 100 Euro im Monat. Mein Mann ist behindert und zudem krank, er hat keinen Job. Ich habe zwei kleine Kinder, die ich nicht ausreichend mit Nahrung und Kleidung versorgen kann. Hier gehen die Preise für Strom und Gas ständig in die Höhe.
Fühlen Sie sich diskriminiert, weil Sie aus Syrien kommen?
Usubi: Nein, die Durchschnittslöhne hier sind so niedrig.
Bekommen Sie hier in Armenien Hilfe?
Usubi: Von Seiten des armenischen Staates kommt fast keine Hilfe, bis auf eine kleine Einmalzahlung des Diaspora-Ministeriums. Aber das armenische Rote Kreuz hilft mit Gewand für die kalte Jahreszeit aus.
Wie überleben Sie, haben Sie einen Job, Frau Andonian?
Andonian: Nein, aber mein Mann arbeitet. Wir haben ein Haus gemietet, aber zum Leben bleibt so gut wie nichts. Und die Kinder haben keine Zukunft.
Sehen Sie Hoffnung für Syrien?
Usubi: Nein, auch wenn der Krieg irgendwann vorbei sein sollte, wird es keine Sicherheit geben.
Andonian: Nein, ich habe keine Hoffnung.
Leiden Sie unter Alpträumen?
Usubi: Oft wache ich in der Nacht auf und bin mitten im Krieg.