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Debatte über den Euro-Islam in der Politischen Akademie. | Koran-Suren und Integration sorgten für heftigen Streit. | Wien. "Was hat der Islam-Dialog bisher gebracht?", fragte Christian Zeitz, Vorstandsmitglied des Wiener Akademikerbundes, kritisch am Dienstagabend bei einer Debatte in der Politischen Akademie der ÖVP. "Gibt es einen Euro-Islam?" war das Diskussionsthema. Laut Zeitz geht die Entwicklung in die falsche Richtung: "Eine Studie des deutschen Innenministeriums ergab eine bemerkenswerte Korrelation: Je stärker bei Muslimen die Identifikation mit ihrer Religion, desto größer ihre Abkehr von unseren humanistischen Werten. Nur zehn Prozent betrachten Deutschland als ihr Identifikationsland."
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Für den Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide ist ebenfalls die Integration humanistischer Werte die zentrale Herausforderung unter Muslimen. Haupthindernis seien soziale Probleme: "Die Akademikerquote bei den Muslimen in Österreich beträgt vier Prozent." Zeitz sah das anders: "Jede Seite hat bisher der anderen nicht gesagt, was sie von ihr erwartet. Wir erwarten von den Muslimen, dass sie einen Teil ihrer Religiosität zurücksetzen. Es besteht auf islamischer Seite die Bringschuld, Glaubensinhalte offen zu diskutieren." Es folgten Koranzitate über die Verfügungsgewalt des Mannes über die Frau oder der Vers: "Tötet die Götzendiener, wo immer Ihr sie findet."
Gemischte Reaktionen im Publikum
"Sie lesen die Texte genauso wie die Fundamentalisten", entgegnete Khorchide. "Man muss diese Texte historisch lesen und nicht wortwörtlich." Widerstand regte sich auch unter den großteils jungen Muslimen im Publikum. "Der Koran hat einen Offenbarungskontext", meinte eine Muslimin der Muslimischen Jugend Österreichs. "Er ist in einem Zeitraum von 23 Jahren entstanden. Nicht jeder Satz ist absolut."
Christian Zeitz bekräftigte seine Bedenken auch mit Hinweisen auf Islamisierungen, die in der Geschichte bereits stattfanden. "Wir wollen nicht, dass der Islam unsere Zivilisation gefährdet", betonte er. Das Publikum honorierte diese Stellungnahmen teils mit langem Applaus, vereinzelt gab es aber auch empörte Zwischenrufe.
Nichts abgewinnen konnte solchen Islam-Exkursen die türkischstämmige Gemeinderätin Sirvan Ekici (ÖVP). Sie machte Versäumnisse der Politik für die gescheiterte Integration verantwortlich. "Ich bin integriert, andere Muslime sind es nicht. Um die geht es." Muslime müssten sich von manchen Bräuchen ihrer Heimatländer lösen.
Kritische Anfragen kamen auch von Wolfram Eberhardt, Journalist beim deutschen Nachrichtenmagazin Focus: "Nach 15 Jahren Berichterstattung im Nahen Osten sehe ich große Diskrepanzen in der Wertauffassung. Für 90 bis 100 Prozent der Menschen dort ist die Religion ganz zentral". Khorchide hielt dem entgegen, dass auch die meisten Muslime Europas nicht religiös seien. Und: "Wenn den Muslimen vermittelt wird, dass sie anders sind, begeben sie sich auf Rückzug und suchen eine kollektive Identität."
Die eigentliche Frage des Abends, ob es einen Euro-Islam gibt, blieb unbeantwortet. Den Dialog - das bekannten alle Diskutanten - wolle man aber gemeinsam fortsetzen.