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Steht ein "pädagogischer Schildbürgerstreich" bevor?

Von Johann Werfring

Politik

Der Endbericht der von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer eingesetzten Zukunftskommission enthält ein Ausbildungsmodell für Lehr- und Erziehungsberufe. Von universitärer Seite wird daran bereits heftige Kritik geübt.


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Mit scharfen Worten machten kürzlich mehrere Wissenschafter der Universitäten Klagenfurt und Salzburg in einem Protestschreiben auf eine angeblich bevorstehende Fehlentwicklung in der Lehrerausbildung aufmerksam. Was im Endbericht der Zukunftskommission vorgeschlagen wird, komme "in wesentlichen Punkten einem eklatanten Rückschritt gleich. Würden die Vorschläge der Kommission in die Tat umgesetzt, wäre das ein unglaublicher Schildbürgerstreich, der Österreich um Jahre zurückwerfen und in Europa isolieren würde."

Europa-Trend zu Unis

Die Pläne der Zukunftskommission sehen zur "Professionalisierung und Stärkung des Lehrberufs" in Hinkunft ein zweistufiges Ausbildungsmodell vor. In Pädagogischen Hochschulen sei für sämtliche Kandidaten von Lehr- und Erziehungsberufen zunächst eine gemeinsame 6-semestrige Bachelor-Ausbildung zu absolvieren. Neben Lehramtsanwärtern für Volks- und Hauptschulen sowie Gymnasien sollen in den Bachelor-Studiengang auch künftige Kindergärtnerinnen und Kindergärtner eingebunden werden. Nach der Graduierung zum "Bachelor Päd." soll für die Kandidaten sämtlicher Richtungen ein Masterstudium an der Universität im Umfang von vier Semestern folgen.

Alois Ecker, Koordinator der Projektgruppe Fachdidaktik an der Universität Wien, kann diesen Vorschlägen nur wenig abgewinnen: "Das Konzept der Zukunftskommission ignoriert, dass es bereits heute an den Universitäten eine solide wissenschaftliche Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern gibt, die auf einer Integration von Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Erziehungswissenschaft und berufspraktischer Ausbildung beruht." In fast allen Ländern Europas, so Ecker, finde die Lehrerausbildung an den Universitäten statt; von diesem Trend dürfe sich Österreich keinesfalls abkoppeln.

"Die universitäre Lehrerbildung ist dem Klischee der Praxisferne längst entschlüpft", betonte auch Herbert Schendl, Vorsitzender der Steuerungsgruppe Lehramt an der Universität Wien, im Gespräch mit der " Wiener Zeitung ".

Die Universität Wien möchte in nächster Zeit durch die Einrichtung von Fachdidaktischen Zentren neue Akzente in der Lehrerbildung setzen, ließ Ecker durchblicken. Solche Zentren werden bereits für die Unterrichtsfächer "Informatik" sowie "Bewegung und Sport" aufgebaut, weitere sollen noch heuer folgen. Von den Fachdidaktischen Zentren aus soll die Schnittstelle zwischen Universität und Schule in der Ausbildung der Lehramtsstudenten professionell betreut und erforscht werden.

Unterstützung erhalten die Vertreter der Universität Wien auch von der Präsidentin des Wiener Stadtschulrates, Susanne Brandsteidl. Sie möchte sowohl die Bachelor- als auch die Masterausbildung aller Lehrerinnen und Lehrer sowie der Kindergärtnerinnen an die Universität bringen, wie es europaweit schon üblich sei.

Kritik an "Fächerbündeln"

Klaus Edel, Professor am Wiener Haydn-Gymnasium und Lehrbeauftragter für Fachdidaktik am Institut für Geschichte der Universität Wien, stört an dem Modell, dass die in den Pädagogischen Hochschulen vorgesehene Ausbildung unzureichend sei, weil die Kandidaten zu diesem Zeitpunkt noch nicht über das nötige Fachwissen verfügen. Auch das anschließende Masterstudium sei in der vorgesehenen Form abzulehnen.

Laut Zukunftskommission sollen die Lehramtskandidaten an der Universität nämlich nicht mehr Fächer studieren, sondern "Fächerbündel", wie Naturwissenschaften oder Kulturwissenschaften, um zu einem fächerübergreifenden Arbeiten fähig zu sein. Allerdings, so Edel, sei in vier universitären Semestern bloß ein oberflächliches fächergebündeltes Wissen zu vermitteln. Bisher konnten sich die Studenten immerhin neun Semester lang an der Universität in ihr Fach vertiefen.