New York - Nach dem Kriegsbeginn lautet die beherrschende Frage: Wie lange? Die Strategen in Washington hoffen auf einen schnellen Sieg. Dieser optimistischen Erwartung stehen Horrorvisionen von einer atomaren, biologischen und chemischen Verseuchung der Golfregion und von einer Welle von Terroranschlägen in Amerika und Europa gegenüber.
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Im ersten Golfkrieg von 1991 stießen die Alliierten auf weitaus weniger irakischen Widerstand als erwartet. Die meisten Strategen gehen jedoch davon aus, dass der irakische Staatschef Saddam Hussein diesmal bis zum letzten Blutstropfen kämpfen wird - schließlich planen die USA seinen Sturz.
Sollte der Irak also tatsächlich Massenvernichtungswaffen besitzen, wie die USA immer betont haben, dann könnten diese jetzt auch zum Einsatz kommen. Israel könnte angegriffen werden - und zwar mit Raketen, deren Sprengköpfe möglicherweise mit chemischen oder biologischen Kampfstoffen gefüllt sind. Dies wiederum könnte einen atomaren Gegenschlag provozieren. Die Folgen sind kaum auszudenken: Millionen Iraker kämen ums Leben, die gesamte Region wäre verseucht, andere islamische Staaten könnten zum Kampf gegen Israel rüsten. Als letzte Konsequenz droht dann ein Weltkrieg. "Der Irak-Krieg könnte die Geschichte und das Schicksal des Nahen und Mittleren Ostens für das gesamte Jahrtausend bestimmen", meint John Pike von GlobalSecurity.org, einem unabhängigen Institut für militärische Studien.
Eine andere Horrorvision leitet sich von der Tatsache ab, dass die Beziehungen Washingtons zur muslimischen Welt unweigerlich leiden werden, was zu einer Radikalisierung führen wird. So könnte der pakistanische Präsident Pervez Musharraf, der sich im Afghanistan-Feldzug nach den Terroranschlägen vom 11. September auf die Seite der USA gestellt hat, jetzt unter weitaus stärkeren Druck der Islamisten kommen und sogar gestürzt werden. Der Konflikt Pakistans mit dem Nachbarland Indien würde weiter eskalieren - bis zum Einsatz von Atomwaffen.
Sicher sind die Experten, dass die Gefahr des Terrorismus gestiegen ist. Sie sprechen von einem bis zu 25 Prozent gestiegenen Risiko. Schon ein "unspektakulärer Anschlag" könnte Zehntausende Menschenleben kosten. Selbst wenn der Krieg schnell zu Ende sein sollte - irakische Agenten und Kämpfer des Terrornetzwerks El Kaida und anderer Organisationen könnten noch jahrelang Vergeltung üben.