Japans Währung hat in wenigen Tagen um rund fünf Prozent zugelegt. | Yen-Carry Trades werden aufgelöst. | Anleger schichten in den Yen um. | Wien. Während sich Aktienanalysten und Händler den Kopf zerbrechen, wann es mit den Börsenkursen wieder längerfristig nach oben geht, ist der Yen in den vergangenen Tagen auf ein Drei-Monatshoch gestiegen. Die japanische Währung notierte am Montag gegenüber dem Euro rund fünf Prozent höher. Für einen Euro muss man nur mehr rund 151 Yen zahlen, noch eine Woche zuvor waren es rund 158 Yen.
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Dass der Yen derart nach oben schießt, ist jedoch kein Zufall, sondern könnte in ursächlichem Zusammenhang mit den seit Dienstag voriger Woche fallenden Aktienkursen stehen. "Viele Anleger ziehen die Reißleine", sagt der Chefanalyst der Raiffeisen Zentralbank (RZB), Peter Brezinschek, der "Wiener Zeitung". Viele Investoren hätten Kredite in Yen oder in Schweizer Franken aufgenommen, um das Kapital anschließend außerhalb der Schweiz oder Japans in Aktien oder Anleihen zu veranlagen, so Brezinschek. Dazu werden die Yen verkauft und zum Beispiel Dollar gekauft, was in den vergangenen Jahren den Yen-Kurs künstlich nach unten gedrückt hat. "Das sind die sogenannten Carry Trades, obwohl ich das Wort eigentlich vermeiden will", sagt der Chefanalyst.
Größenordnung rund 200 Milliarden Dollar
Wie groß der Betrag ist, der momentan in der beschriebenen Art veranlagt wird, ist unklar. Laut der englischen Wirtschaftszeitung "Economist" handelt es sich um eine Größenordnung von zumindest 200 Mrd. Dollar (152,87 Mrd. Euro). Dieser unvorstellbar große Betrag überschwemmt die Aktien- und Anleihenmärkte sowie die Immobilienmärkte mit zu viel Liquidität, wodurch die Kurse und Preise steigen. Laut Brezinschek handelt es sich um "einen großen Milliardenbetrag". Wer aufgrund der fallenden Kurse an den Börsen seine Aktien verkaufen müsse, sei gezwungen, in die japanische Währung zu gehen, um den Yen-Kredit zurückzuzahlen. "Viele mussten in den vergangenen Tagen Yen kaufen", erklärt Brezinschek.
Der Kapitalmarktexperte sieht keine Gefahr für die Weltwirtschaft. Allerdings glaubt er, dass erst ein kleiner Teil der Yen-Kredite zurückgezahlt worden ist. "Bis jetzt haben wir erst die Spitze des Eisberges gesehen. Ich schätze, dass nur jene, die heuer eingestiegen sind, ihre Positionen aufgelöst haben und Yen kaufen mussten", betont Brezinschek. Wer im Sommer einen Yen-Kredit aufgenommen und damit Aktien gekauft habe, der verfüge über einen "Ruhepolster", weil die Aktien immer noch im Plus seien. Analysten bei ABN Amro stoßen ins gleiche Horn: "Wir glauben weiterhin, dass es innerhalb einer Woche noch eine Runde bei den Carry Trades geben wird, wo Yen massiv zurückgekauft werden."
Der echte Wert des Yen sei nicht einfach zu ermitteln, erklärt Brezinschek. "In gewisser Weise gilt immer: Der Markt hat recht."
Japanische Exporteure negativ betroffen
Der Vergleich der Kaufkraftparitäten zwischen Japan und anderen Währungen zeige, dass der Yen immer noch unterbewertet sei. Laut einer ökonometrischen (wirtschaftswissenschaftlichen, Anm.) Analyse sei der Kurs 125 Yen zu einem Euro der echte Kurs, was jedoch nicht heiße, dass der Yen tatsächlich dieses Niveau erreichen werde, so Brezinschek. Bereits ein Kurs von rund 140 Yen zum Euro würde die europäische Exportindustrie - zum Beispiel die Elektronikindustrie, die Erzeuger vom Konsumgütern oder die Autobauer - unterstützen, weil dann die japanischen Konkurrenzprodukte am Weltmarkt teurer wären.