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Möglicher Spitzenkandidat konnte mit Pragmatimus nicht begeistern.
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Berlin. "Es geht noch ein Stück gerechter", sagt die Genossin. Sie ist nicht allein. Etliche Sozialdemokraten haben sich am Dienstag auf dem Parteitag in Berlin zu Wort gemeldet. Sie alle wollen den künftigen Steuerkurs der SPD "sozialer" haben, als es die Parteispitze vorsieht.
Peer Steinbrück warb für das Konzept, das im Wesentlichen seines ist - doch an ihm lag es wohl nicht, dass die Delegierten schließlich ohne Gegenstimmen dafür waren. Schließlich sind die Parteilinken nicht gerade seine Freunde. Den Österreichern dürfte der ehemalige Finanzminister unter Schwarz-Rot vor allem durch seine saloppen Sprüche in Erinnerung sein: Zu einer Konferenz über Steueroasen vor zwei Jahren in Berlin etwa lud Steinbrück speziell "Luxemburg, Liechtenstein, Österreich, Ouagadougou". Seit der Niederlage der Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl 2009 ist Steinbrück Abgeordneter des Parlaments. Und seither ist immer wieder sein Name gefallen, wenn es um den künftigen Kanzlerkandidaten der SPD ging - neben Parteichef Sigmar Gabriel und dem einstigen Außenminister und Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier, der heute Klubchef im Bundestag ist.
Steinmeier war es dann auch, der die Genossen noch einmal einschwor, geschlossen für das Steuerkonzept zu stimmen. Der Eindruck vom "Aufbruch" der SPD sollte nicht zerstört werden: "Wir können uns nur noch selbst ein Bein stellen."
Die SPD tritt nun offiziell dafür ein, den Spitzensteuersatz von 42 auf 49 Prozent anzuheben. Der linke Flügel hatte 52 Prozent gefordert. Er bekam ein Zugeständnis: Die Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge soll von 25 auf 32 Prozent steigen. Sollte sich innerhalb von drei Jahren herausstellen, dass dies weniger Einnahmen bringt, will man wieder zur alten Regelung zurück. Die Abgeltungssteuer wurde von Steinbrück in der großen Koalition eingeführt, um die Geldflucht ins Ausland einzudämmen. Der am Dienstag gefällte Beschluss passt zu einem möglichen Koalitionspartner: Auch die Grünen haben sich kürzlich auf ihrem Parteitag auf einen Spitzensteuersatz von 49 Prozent geeinigt.
Steinbrück hingegen hat den Linken wenig zu bieten, und nicht nur ihnen - der Applaus bei seiner Rede blieb matt. Die SPD sei die Partei, die das Bündnis zwischen Starken und Schwachen organisieren müsse, sagte er. "Aber dann darf man dieses Bündnis auch nicht verprellen." Und die große Drohung: Mit Steuererhöhungen gewinne man keine Wahlen. Man dürfe dem politischen Kontrahenten keine Munition in die Hand geben. Vom "gelegentlich zu großen Wort" sprach Steinbrück, und dass "allein das Gutgemeinte politisch noch nichts verändert". 24 Stunden nach Beendigung des Parteitags müsse der Realitätstest bestanden werden können, "darüber müssen wir bei jedem Beschluss nachdenken." Seinen Konkurrenten um das Kanzleramt, SPD-Chef Gabriel, kritisierte er dafür, dem Pragmatismus einen "kalten Hauch" gegeben zu haben.
Auf noch weniger Begeisterung bei den Genossen stieß der 64-Jährige mit dem Appell, zu überlegen, wo Deutschland heute ohne die "teils schmerzhaften Reformen unter Gerhard Schröder" stünde. Unter genau jenem Kanzler wurde unter anderem die Einkommensteuer auf 42 Prozent gesenkt. Ein kleines Eingeständnis gab es dann aber doch - nämlich beim Thema Finanzmärkte: "Wir Sozialdemokraten haben uns dem Paradigma der Deregulierung wahrscheinlich zu lange widerstandslos ergeben." Für eine freie und gerechte Gesellschaft brauche es "das Primat der Politik".