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Steinbrücks Fehltritte lassen SPD straucheln

Von Alexander Dworzak

Politik

SPD will mit Gerechtigkeitsdebatten zu Kindergeld und Mieten gegensteuern.


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Berlin. Vom Hoffnungsträger zur Vorgabe: Noch vor drei Monaten überschlugen sich die Medien mit positiven Schlagzeilen zu Peer Steinbrück, galt der damals frischgebackene SPD-Kanzlerkandidat als ernsthafter Herausforderer von Amtsinhaberin Angela Merkel. Mehrere Ausrutscher später sind Steinbrücks Umfragewerte im Keller. Lediglich 22 Prozent der Befragten würden bei einer - theoretischen - direkten Kanzlerwahl derzeit für den Hanseaten votieren, während Merkel mit 58 Prozent überlegen führt, so eine aktuelle "Stern"-Umfrage.

Zielsicher steuert Steinbrück ein Fettnäpfchen nach dem anderen an. Zuletzt wurde bekannt, dass der 65-Jährige als Aufsichtsrat des Stahlriesen ThyssenKrupp politische Unterstützung im Kampf gegen zu hohe Strompreise angeboten haben soll. Das Protokoll der Aufsichtsratssitzung wurde illegalerweise veröffentlicht - Steinbrück steht nun blamiert da.

Am meisten geschadet hat jedoch Steinbrücks vom Zaun gebrochene Diskussion um die Höhe des Kanzlergehalts. Sein Vergleich, jeder Sparkassendirektor verdiene mehr als Deutschlands Regierungschefin, die knapp 300.000 Euro pro Jahr erhält, mag inhaltlich zutreffend sein. "Bei den unteren Schichten hat sich aber der Eindruck festgesetzt, dass Steinbrück mehr Geld haben will", analysiert der Meinungsforscher Manfred Güllner.

Nicht nur die persönlichen Werte des SPD-Politikers zeigen nach unten; der Kandidat zieht derzeit die gesamte Partei in das Umfrage-Tief. Lediglich ein Viertel der Deutschen würde die Sozialdemokraten bundesweit wählen - der niedrigste Wert seit April 2012. Während Steinbrück bei Bürgerlichen punktet, schwächelt er bei linken Wählern und Geringverdienern; sie könnten sich der Linkspartei zuwenden. Unangefochten an der Spitze der Wählergunst steht die CDU mit 42 Prozent. Der Koalitionspartner FDP rutscht hingegen weiter ab, hält bei nur noch zwei Prozent.

Besonders groß ist die Furcht vor Steinbrücks Ausrutschern derzeit in Niedersachsen. Am 20. Jänner finden Landtagswahlen statt, Rot-Grün strebt die Ablöse des amtierenden Ministerpräsidenten David McAllister (CDU) an, der mit den Liberalen regiert. Sollte die FDP doch knapp den Einzug in den Landtag schaffen, könnte der Traum von Sozialdemokraten und Grünen ausgeträumt sein - und damit beträchtliche Signalwirkung für die Bundestagswahl im September haben.

Nach den Negativ-Schlagzeilen über Steinbrück versucht die SPD nun die Trendwende über ihr Wahlkampfthema Gerechtigkeit. So soll der drastischen Erhöhung der Mietpreise Einhalt geboten und diese gedeckelt werden; bei Neuverträgen auf zehn Prozent, bei bestehenden Verträgen auf 15 Prozent binnen vier Jahren. Damit tritt die SPD in Konkurrenz zur Regierung, die ihrerseits im Dezember - weniger weitreichende - Maßnahmen gegen Mietpreissteigerungen beschlossen hat. Zudem wollen die Sozialdemokraten das Kindergeld nach dem Einkommen der Eltern staffeln. Derzeit beträgt die Unterstützung unabhängig vom Einkommen je nach Anzahl der Kinder zwischen 184 und 215 Euro im Monat.

Der parteiintern ob seiner forschen Art nie geliebte Steinbrück muss nun gegen sein Verlierer-Image kämpfen und darf sich keine Fehler mehr erlauben. Sonst behalten die Kritiker von Rechts bis Links recht: "Er kann es nicht", kommentierte die "FAZ", "Um Kopf und Kanzleramt", titelte der "Spiegel".