Entwicklung des Arbeitsmarktes geht in Richtung Praktika. | Praktikanten ersetzen oft reguläre Arbeitskräfte. | Wien. Anna Kant* hat es geschafft: Die Soziologin hat am Arbeitsmarkt Fuß gefasst und eine feste Anstellung bei einem Institut für Marktforschung erhalten. Doch davor musste sie den steinigen Weg vieler Akademiker gehen: Die 29-Jährige hat ein halbes Dutzend Praktika hinter sich.
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Sammelte sie während ihres Studiums noch bei einem Stadtentwicklungsprojekt Erfahrung, mutierten Praktika nach ihrem Studienabschluss zum Berufseinstieg. So arbeitete sie bei mehreren wissenschaftlichen Institutionen, etwa der Österreichischen Akademie der Wissenschaften oder dem Institut für Jugendforschung. Sie verdiente zumeist nur ein paar hundert Euro im Monat, und versichern musste sie sich in der Regel selbst.
"Unter der Woche machte ich das Praktikum, am Wochenende ging ich kellnern, weil ich Geld brauchte", erzählt sie. "Das ging ein Jahr so. Ich fühlte mich mit der Zeit sehr ausgelaugt."
Kant ist bei weitem kein Einzelfall. Zwar gibt es keine genauen Statistiken über die Anzahl von Praktikanten in Österreich, doch die Entwicklung des Arbeitsmarktes gehe für Studienabgänger immer mehr in Richtung Praktikum, meint Josef Wallner von der Arbeiterkammer.
"Viele Akademiker, etwa Lehrer und jede Menge Juristen, fanden lange Zeit im öffentlichen Dienst eine Anstellung. Doch dort gibt es Einsparungen, der Arbeitsmarkt verengt sich - bei einer immer höheren Anzahl von Studenten", erklärt Wallner. Und der verbliebene Arbeitsmarkt sei immer mehr auf Teilzeitbeschäftigungen beziehungsweise Arbeitsverhältnisse wie Praktika oder gar unbezahlte Volontariate aufgebaut.
Arbeitslosigkeit als Alternative
Wegen der Situation am Arbeitsmarkt lassen sich viele Studienabgänger auf derartige Anstellungen ein - denn die Alternative heißt oft Arbeitslosigkeit. Wallner berichtet gar von Fällen, bei denen Konzipienten in Anwaltskanzleien als Volontäre umsonst arbeiteten - schließlich würden sie ja ausgebildet, argumentierten die Arbeitgeber. Dabei führten die Konzipienten Gerichtsverhandlungen durch und verrichteten auch sonst oft die Arbeit eines Anwalts.
Generell ersetzen Praktikanten, die eigentlich ausgebildet werden sollen, zusehends normale Arbeitskräfte. "Überall dort, wo regelmäßig Praktikanten über einen längeren Zeitraum angestellt werden, verdrängen sie reguläre Arbeitnehmer", sagt Wallner. Was als Ausbildung firmiert, dient tatsächlich Einsparungen.
"Konnte das machen, was mich interessiert"
Auch Kant konnte sich manchmal des Gefühls nicht erwehren, "dass man als normale Arbeitskraft gebraucht wird. Bei der Bezahlung, die ich erhielt, fühlte ich mich oft ausgenützt." Auf ihre Rechnung kam sie aber trotzdem. "Ich konnte das machen, was mich interessiert, und habe dabei viel gelernt."
Bei Sozialpraktika - etwa einem Projekt für lernschwache Jugendliche - sammelte sie zwischenmenschliche Erfahrungen. Bei wissenschaftlichen Praktika setzte sie in die Praxis um, was ihr während des Studiums als Theorie begegnete. So entwickelte sie bei einem Migrationsprojekt Leitfäden für Interviews und führte diese selbst durch. "Dadurch habe ich einen praktischen Bezug zur soziologischen Arbeit gewonnen", sagt sie. "Der kommt nicht über das Studium und nicht über Bücher."
Name von der Redaktion geändert.WissenPraktika und Trainee-Programme werden bei sämtlichen großen Jobbörsen im Internet angeboten. Die Seite www.jobcenter.at etwa verlinkt zu mehr als 40 Jobbörsen. Auch Unternehmen bieten auf ihren Homepages Informationen zu Praktika und Trainee-Programmen an.
Bei Praktika kann die geringe Bezahlung auch zum Vorteil werden: Plätze können von Firmen schnell geschaffen werden. Allgemeine Auskünfte erhält man bei den Career-Centern der Unis. In Gesprächen mit Karriereberatern kann man sich mehr Klarheit darüber verschaffen, welche Möglichkeiten es gibt oder welche Angebote zu der bisherigen Ausbildung und den beruflichen Vorstellungen am besten passen.
Während bei Trainee-Programmen die Aufgaben des Trainees in der Firma meist klar umrissen sind, sind Stellenausschreibungen für Praktika oft schwammig: Um falsche Erwartungen oder zweimonatiges Kaffeeholen zu vermeiden, raten Arbeitsmarktexperten, Ziele und Inhalte des Praktikums schon beim Vorstellungsgespräch genau abzusprechen.