Italiens Ex-Premier Matteo Renzi arbeitet an seinem Comeback. Am Sonntag will er wieder Parteichef der PD werden.
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Rom. Die Backen sind runder geworden, die Frisur ein bisschen weniger dynamisch, nur sein Mundwerk ist dasselbe geblieben. Matteo Renzi will sich an diesem Sonntag bei der Urwahl der sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) wieder zum Vorsitzenden wählen lassen und hat dabei gute Aussichten.
In den vergangenen Wochen trat der 42-Jährige - stark geschminkt - in Fernsehshows auf, kurvte auf Wahlkampftour durch ganz Italien und warb am gestrigen Freitag sogar in Brüssel um Stimmen. Der leise, zurückhaltende Ton war Renzis Sache auch diesmal nicht. In seinen Tiraden geht es vor allem gegen die EU. "Europa ja, aber nicht so", lautete einer seiner liebsten Slogans der vergangenen Tage.
Parteichef und Spitzenkandidat
Mit zwei Gegnern hatte es der italienische Ex-Premier im innerparteilichen Wahlkampf zu tun, mit Justizminister Andrea Orlando und dem ehemaligen Staatsanwalt und derzeitigen Präsidenten der Region Apulien, Michele Emiliano. Doch nicht diese beiden Konkurrenten vom linken Flügel sind für Renzi die wahre Herausforderung. Fraglich ist vielmehr, ob es Renzi gelingt, sich politisch noch einmal neu zu erfinden und sich den Italienern als immer noch glaubwürdige Alternative zu präsentieren.
Italien erlebt derzeit die dritte politische Version des Matteo Renzi. 2012 war da der Jungspund aus der Toskana, der vollmundig versprach, die Eliten in der eigenen Partei zu verschrotten. 2014 folgte dann der Staatsmann, der ankündigte, Italien als Ministerpräsident im Eiltempo zu reformieren. Dann stellte Renzi im vergangenen Dezember eine einschneidende Verfassungsreform seiner Regierung zur Abstimmung und scheiterte grandios. Fast 60 Prozent der Wähler lehnten die Reform ab, die Schwung, aber auch Unkalkulierbarkeit in die italienische Politik gebracht hätte. Das Votum nahm Renzi zu Recht persönlich, er trat als Ministerpräsident und im Februar auch als Parteichef zurück. Jetzt versucht er sich an dem politischen Kunststück, sich als frische Kraft zu präsentieren, obwohl er längst selbst zum Establishment gehört.
Renzis erwartete Wiederwahl als Parteichef soll dabei aber nur eine Etappe auf dem Weg zurück zur Macht sein. Denn wer am Sonntag zum PD-Chef gewählt wird, der ist auch automatisch Spitzenkandidat der Partei bei der Parlamentswahl, die spätestens in einem Jahr stattfinden wird.
Bis dahin wird sich wohl auch zeigen, ob die Abspaltung eines Teils seiner parteiinternen Kritiker vom linken Flügel für Renzi ein befreiendes Moment hat oder ob dieser Bruch der Partei nicht doch entscheidende Sympathien gekostet hat. Denn um die populistische und europakritische 5-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo doch noch in die Schranken zu weisen, wird Renzi wohl auf jede einzelne Stimme angewiesen sein. Derzeit liegt die 5-Sterne-Bewegung bei etwa 30 Prozent und damit bis zu sieben Punkte vor der PD. Und die auch in Italien immer stärker werdende populistische Welle wir vor allem von der Antipathie gegen den stagnierenden politischen Ist-Zustand getragen, den Renzi noch bis Dezember mitgeprägt hat.
Populistische Antworten
Um der Grillo-Bewegung den Wind aus den Segeln zu nehmen, hat sich der Ex-Premier ebenfalls nicht unpopulistisch auf Europa und den verhassten Fiskalpakt eingeschossen, der zur Haushaltsdisziplin verpflichtet. Er verspricht Steuersenkungen, die angesichts einer Staatsverschuldung von über 133 Prozent des Bruttoinlandsproduktes bei einem Wirtschaftswachstum von nur 0,9 Prozent kaum zu finanzieren sind. Er lobt sich für politische Erfolge seiner Amtszeit wie Arbeitsmarktreform und Lebenspartnerschaftsgesetz und hofft auf Rückenwind durch den Sieg des gemäßigten Linken Emmanuel Macron bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich.
Kein Geheimnis ist, dass Renzi nach seiner Wiederwahl als PD-Chef so bald wie möglich Parlamentswahlen anstrebt. Zuvor muss er aber mehrere Hindernisse überwinden. Sein Nachfolger und Parteifreund Paolo Gentiloni führt die Regierungsgeschäfte ruhig und verantwortungsbewusst. Ihn wie schon seinen Vorgänger Enrico Letta vor Ablauf der Legislaturperiode im Februar aus dem Amt zu drängen, könnte auf Renzi zurückfallen, der sich auch angesichts der stetigen Vorwürfe, arrogant und rücksichtslos Politik zu machen, gerade in Demut zu üben versucht. Staatspräsident Sergio Mattarella besteht zudem darauf, dass die beiden Kammern des Parlaments vor der Wahl ihre Wahlgesetze aufeinander abstimmen. Bereits nach der Urwahl am Sonntag wird daher das Geschacher um das neue Wahlrecht wieder an Fahrt aufnehmen.
Ob Renzis Plan für ein Comeback an der Macht gelingt, wird sich jedenfalls schon in ein paar Wochen klarer ablesen lassen. Denn dann stehen in Italien Kommunalwahlen an, die häufig auch einen Stimmungstest für die überregionale Politik darstellen.