Behebige Rede. | Reichensteuer und Lohnsteuerbonus als Wahlprogramm. | Berlin. 15 Prozent fehlen der SPD, um mit der Union gleichzuziehen, im direkten Vergleich der Spitzenkandidaten sogar 31 Prozent. So viel liegt nämlich Außenminister und Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) hinter Titelverteidigerin Angela Merkel (CDU) bei der Kanzler-Frage. Dem Herausforderer bleiben für seine Aufholjagd nur fünf Monate Zeit. Die SPD muss also früh ins Rennen gehen.
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"Wir wollen diese Wahl gewinnen", ruft Parteichef Franz Müntefering am Sonntag den 2.500 Anhängern beim Berliner Wahlkongress zu. Mit seinem zehnminütigen Auftritt ist der beste Redner, den die SPD zurzeit hat, bemüht, dem eher trockenen Spitzenkandidaten nicht das Wasser abzugraben. Der Programmarchitekt, Wahlkampfregisseur und Personaltrainer hat den Parteikonvent der SPD als große Show inszeniert und Steinmeier mehr rhetorischen Pep verordnet.
Dennoch wird aus dem Obama´schen "Yes, we can" bei Steinmeier ein: "Wir wollen den Weg in die Zukunft gemeinsam und solidarisch gehen." Als ihm klar wird, dass man so die Begeisterung nicht entfachen kann, nach der die wunde Partei lechzt, gewinnt er etwas an Schwung. Doch selbst Parteifreunde wie der Bremer Ex-Bürgermeister bedauern, dass Steinmeier mehr Verwalter als "Galionsfigur" sei.
Der SPD steht im "Schraubstock" zwischen Union und Linke ein schwieriger Wahlkampf bevor. Steinmeier kann und muss auf drei Säulen bauen: Das ist der wahlkampferprobte "Münte", der seiner SPD aus dem Herzen spricht; das ist die elegante Gesine Schwan, die im Mai Bundespräsidentin werden will - und das ist die seltene Einstimmigkeit, mit der das SPD-Wahlprogramm beschlossen wurde.
Wenn es nach diesem Programm geht, werden die Reichen erneut zur Kasse gebeten, der Spitzensteuersatz soll ab einem Monatseinkommen von 10.400 Euro auf 47 Prozent angehoben, dafür aber der Eingangssteuersatz von 14 auf 10 Prozent gesenkt werden. 300 Euro Bonus soll erhalten, wer auf eine Steuererklärung verzichtet.
Weitere Stichworte: Gesetzlicher Mindestlohn in allen Branchen, keine Privatisierung der Bahn, mehr Ganztagsschulen, Atomausstieg, Homo-Ehe mit Ehe gleichstellen.
Alles in allem ein "Programm links von der Mitte", wie der Parteienforscher Ulrich von Alemann feststellt. Die SPD will damit Wählerschichten zurückgewinnen, die sie durch die Agenda 2010 verloren hat - meist an die neue Linkspartei. Dass aber ausgerechnet einer der Väter dieser Agenda, der frühere Kanzleramtsminister unter Schröder, Frank-Walter Steinmeier, diesen Schwenk glaubwürdig vertreten soll, das beurteilen viele auch in der SPD eher skeptisch.