Panamas Staatschef sonnt sich im Lichte des Erfolgs, die USA feiern leise.
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Panama-Stadt/Wien. Eine lange Karriere hat die MiG-21 hinter sich. 1962 wurde der sowjetische Kampfjet erstmals ins kommunistische Kuba geliefert. Mehr als 50 Jahre später sorgt der aus der militärtechnologischen Steinzeit stammende Abfangjäger weltweit für Aufsehen und Konfusion. Zwei MiG-21, neun zerlegte Raketen und zwei Flugabwehr-Raketenbatterien stellten Panamas Behörden auf dem nordkoreanischen Schiff "Chong Chon Gang", welches den Panamakanal durchqueren wollte, sicher - versteckt unter 10.000 Tonnen braunen Zuckers. Da erst einer von fünf Frachträumen geöffnet wurde, ist in den kommenden Tagen mit weiteren Funden zu rechnen.
Leugnen war spätestens dann zwecklos, als Panamas Präsident Ricardo Martinelli stolz via Kurznachrichtendienst Twitter Fotos des Waffenfundes postete. Also redet Kubas Außenministerium den Vorfall klein, spricht nunmehr von 240 Tonnen Gerät, das "veraltet und defensiv" sei und zur Reparatur nach Nordkorea gebracht werden sollte. Ausgerechnet Nordkorea, ausgerechnet das für seine Atomtests und Ränkespiele auf dem internationalen Parkett gefürchtete Regime unter Diktator Kim Jong-un soll als Reparaturwerkstätte dienen.
Doch ist die kubanische Darstellung plausibel, oder sollte Nordkorea Abnehmer der Waffen sein? Wenig spricht derzeit für die zweite Variante. Nordkorea exportierte in der Vergangenheit seine Waffen in geächtete Staaten wie den Iran und scheint nicht auf veraltetes Kriegsgerät angewiesen zu sein. Außerdem zählt das nordkoreanische Luftverteidigungssystem laut Analyst Neil Ashdown von "IHS Jane’s Intelligence" zu den dichtesten der Welt. Die MiG-21 könnte Nordkorea wohl höchstens als Trainingsflugzeug für auszubildende Piloten oder als Ersatzteillager für andere Maschinen dienen. Eine offizielle Stellungnahme des Regimes in Pjöngjang steht noch aus.
Nordkorea und Kuba eint ihre weitgehende Isolation in der Staatengemeinschaft. Die Kim-Dynastie unterliegt dabei einem strengen Waffenembargo; mit Resolution Nummer 1718 verbot der UN-Sicherheitsrat bereits im Jahr 2006 den Verkauf von schweren Kriegswaffen, darunter Kampfjets, Raketen, Panzer und Hubschrauber. Nachdem Nordkorea im Februar zum dritten Mal eine Atomwaffe gestestet hatte, verschärfte der Sicherheitsrat erneut seine Sanktionen: Der Zahlungsverkehr wurde weiter eingeschränkt, Auslandsguthaben eingefroren und der Transport von Bargeld durch Diplomaten soll verhindert werden.
Versuchter Selbstmord
Den jährlichen Bedarf von fünf Millionen Tonnen Nahrungsmittel kann das Land auch nicht aus eigener Kraft decken. Insofern würde die Darstellung Kubas eines Tausches von Zucker gegen Reparaturen Sinn machen - und wäre rechtlich gedeckt. Dass beide Staaten gemeinsame Interessen pflegen, zeigte sich zuletzt Anfang Juli. Nordkoreas Generalstabschef Kim Kyok-sik hielt sich drei Tage im Inselstaat auf, traf dabei auch auf den kubanischen Staatschef Raul Castro. Andererseits wirkt die kubanische Version wenig glaubwürdig in Anbetracht der unter 220.000 Zuckersäcken versteckten Waffen. Dass sich die nordkoreanische Besatzung fünf Tage gegen eine Prüfung des Schiffes wehrte, mit Stöcken versuchte, den Frachter zu verteidigen, und der Kapitän während der Inspektion einen erfolglosen Selbstmordversuch unternahm, rundet das Bild ab.
So bizarr wie die nunmehrige Causa ist auch die Geschichte des Frachters. Die nun im Hafen von Colon, 80 Kilometer von Panamas Hauptstadt entfernt liegende "Chong Chon Gang" wurde bereits einmal gestoppt: 2010 sollen Drogen und Munition an Bord gewesen sein, berichtet die "New York Times". Drogen galten ursprünglich auch als Grund für die Durchsuchung des Schiffes in Panama, lassen die lokalen Behörden durchblicken. Doch auch diese Erklärung wirkt nicht stichhaltig; denn nordkoreanische Schiffe werden von US-Spionagesatelliten laufend verfolgt, jedoch nicht bei Drogendelikten, sondern erst bei vermuteten Waffenlieferungen aufgehalten. Wer den Behörden Panamas den Tipp gab, war sich der Waffenlieferung also sicher.
Seinen Erfolg kostet der panamesische Staatschef Ricardo Martinelli - ein Verbündeter der Vereinigten Staaten - öffentlich aus. Zurückhaltend reagieren die Vereinigten Staaten auf den Waffen-Coup, verweisen lediglich auf die UN-Sanktionen. Washington feiert den Teilsieg gegen Nordkorea im Stillen.