Holzplattform und Balken ausgegraben. | Bewohner kamen von der Nordseeküste.
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Manchester/Wien. Die Geschichte der Besiedelung Großbritanniens ist um ein sensationelles Kapitel reicher: Das älteste Haus der Insel stammt aus der Zeit von 8500 vor Christus. Forscher der Universitäten von York und Manchester fanden die Überreste des steinzeitlichen Hauses in der Nähe von Scarborough im Areal von Star Carr, wo seit 1947 Ausgrabungen vorgenommen werden.
Die Archäologen Chantal Conneller und Barry Taylor von der Universität Manchester sowie Nicky Milner von der Universität York arbeiten seit 2004 in Star Carr. Erste Ausgrabungsarbeiten an dem nun bekanntgegebenen Sensationsfund hatten sie bereits vor zwei Jahren vorgenommen.
Der Fund besteht bisher aus einer großen Plattform aus bearbeitetem Holz, die damit die älteste bis jetzt gefundene Holzbearbeitung in Europa darstellt, und einem großen Baumstamm, der mit der Konstruktion des Hauses in Zusammenhang steht. Ungeachtet ihres Alters von rund 11.000 Jahren sind die Funde in erstaunlich gutem Zustand.
Die Form des Hauses sah so aus, dass um eine zentrale Vertiefung von etwa 3,5 Meter Durchmesser nach oben hin schräg zulaufende Stangen angebracht waren, die zugleich Wand und Dach bildeten. Die Erbauer des Hauses waren Jäger, die aus einem kontinentaleuropäischen Landstrich eingewandert waren, der heute unter der Nordsee liegt. Die Einwanderung war möglich, weil England zu dieser Zeit noch über eine Landbrücke mit dem Festland verbunden war.
Das Star-Carr-Haus wird von den Archäologen als Beweis dafür gewertet, dass die Menschen dieser Zeit sesshafter waren, als man angenommen hatte. Es wird vermutet, dass sie zwar noch keine Feldwirtschaft betrieben, jedoch Brandrodungen durchführten. Die auf dem gerodeten Land nachwachsenden Pflanzensprossen sollten jagdbare Tiere anzulocken.
Das bis zu dem Fund des Star-Carr-Hauses älteste Haus Großbritanniens wurde ebenfalls nahe der englischen Nordseeküste gefunden, nämlich bei der Ortschaft Howick in Northumberland. Auch das Howick-Haus war eine Holzkonstruktion. Sie wurde mittels der Radiokarbonmethode auf etwa 7600 vor Christus datiert. Damit sind beide Häuser deutlich älter als Stonehenge, dessen erste Bauphase auf etwa 3100 vor Christus datiert wird. Auch das Steinzeitdorf Skara Brae auf Orkney Mainland aus der Zeit von 3100 bis 2500 vor Christus ist deutlich jüngeren Datums.
Frühere Werkzeugnutzung
Das älteste Haus der Welt hingegen steht in Japan, wo Archäologen im Jahr 2000 auf einem Hügel nördlich von Tokio eine Konstruktion fanden, die auf ein Alter von 500.000 Jahre datiert wird. Die bis zu diesem Fund ältesten Bauwerke standen in Frankreich, wo auf dem Gelände von Terra Amata bei Nizza Häuser im Alter von 400.000 bis 200.000 Jahren ausgegraben worden waren.
Doch nicht nur auf den frühen Hausbau fällt neues Licht - auch der Geschichte der Werkzeugbenutzung muss ein Kapitel hinzugefügt werden. Ein Fund, der Forschern des Leipziger Max-Planck-Instituts für Evolutionäre Anthropologie in der äthiopischen Region Afar glückte, belegt, dass Menschen vor 3,4 Millionen Jahren Werkzeuge benützten, um Fleisch von den Knochen zu lösen. Als älteste Beweise dafür galten bisher Funde aus Bouri in Äthiopien, die auf ein Alter von 2,6 Millionen Jahre datiert worden waren.
Die Funde in Afar sind nicht die Werkzeuge selbst, sondern Knochen mit eindeutigen Schnitt-, Schlag- und Kratzspuren, die nur von Werkzeugen stammen können. Die Forscher rätseln nun, ob die Menschen dieser Zeit aktiv jagten oder ob sie Aasfresser waren. Es ist auch nicht klar, ob sie die Werkzeuge herstellten oder gefundene scharfkantige Steine als Werkzeuge nutzten.