Die Phase II der Österreichischen Strom-Lösung (ÖSL) ist weitgehend abgeschlossen, am Freitag konnte sie wie vorgesehen von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein offiziell präsentiert werden. Noch im Juli soll die Kooperation zwischen Verbund und EnergieAllianz (EA) besiegelt werden. Da der Verbund über die Stromerzeugung und somit auch beim neuen Handelshaus mit der steirischen EStAG verschränkt ist, drängt Bartenstein darauf, dass die Steirer auch beim Großkundengeschäft ins ÖSL-Boot einsteigen. Die EStAG ziert sich noch, denn zuvor müsste eine Lösung für das Kohlekraftwerk Voitsberg gefunden werden.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 22 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Durch den Zusammenschluss des größten heimischen Stromproduzenten Verbund mit den Landesenergieversorgern (Wienenergie, EVN, Energie AG OÖ, Linz AG, Bewag/Begas) entsteht ein "rotweißroter Energieriese" von europäischer Dimension, vermerkt Wolfgang Sobotka, Niederösterreichs Finanzlandesrat. Minister Bartenstein und Sobotka prognostizieren einen Synergieeffekt von rund 80 Mill. Euro pro Jahr.
Im Handel wird die "APT (Austrian Power Trading) Neu", sie ist das Herzstück der Kooperation, ein Volumen von 95 Terawattstunden (TWh) beherrschen. Damit ist sie der achtgrößte europäische Stromhändler und rangiert sogar vor dem deutsch-französischen Stromkonzern EnBW. 27 TWh werden mittels heimischer Wasserkraft, 14 TWh mit kalorischen Brennstoffen erzeugt. Der Rest von 54 TWh wird am internationalen Strommarkt eingekauft. Und der Strom aus Wasserkraft ist ein kostbares Gut, den sich der Verbund - er produziert immerhin 95% - mit einem Bonus, dem Wasserkraftzuschlag, abgelten läßt. 1,1 Euro/MWh darf der Verbund den Allianz-Partnern zusätzlich zum Marktpreis verrechnen.
Doch es handelt sich dabei um einen heiklen, noch nicht verhandelten Punkt, da die exakte Höhe sowie die Berechnungsmethode noch unklar sind. Obwohl der Minister schon im April betont hat, dass dieser Zuschlag nicht an den Endkunden weitergegeben werden darf, überlegen die Stromversorger, unter welchem Öko-Label sie Wasserkraft zu erhöhten Preisen am Markt absetzen können. Die Großkunden werden von sauberer Wasserkraft - weil teurer - keinen Gebrauch machen, also heckt man Spezialangebote für den umweltbewußten Tarifkunden aus.
Streitpunkt "stranded costs"
Die Steiermark ist über das Joint-Venture der fusionierten EStAG-Töchter Steweag/Steg mit dem Verbund ins neue Strombündnis (sowohl in der Produktion als auch beim Handel) ohnedies integriert. "Die Steirer sind stärker in die Österreich-Lösung eingebunden als mancher EA-Partner", betont Bartenstein. Sein Wunsch wäre es, wenn die EStAG nun auch in die Großkundenvertriebs GesmbH "e&s Neu" einsteigen würde. Sobotka bekräftigt ebenfalls: "Die Steirer sind immer willkommen, die Tür ist offen."
Die steirische Sicht ist anders. Dort ärgern sich sowohl Politiker, als auch EStAG-Vorstand Adolf Fehringer über die Allianz-Mitglieder EVN, Wienenergie und Bewag. "Wir können nicht mitmachen, solange gewisse Voraussetzungen nicht erfüllt sind." Streitpunkt ist das Kohlekraftwerk Voitsberg. Denn die drei Ost-Versorger kassierten unter dem Titel "stranded costs" Geld von den Kunden, wollen es aber nicht wie vorgesehen an den Verbund abliefern. Dadurch wiederum zahle der Verbund nicht genug für die steirische Kohle, die in Voitsberg verheizt wird. Die Angelegenheit entwickelt sich zum länderübergreifenden Konflikt: Es geht um Arbeitsplätze. Im Wirtschaftsministerium ist eigens eine Truppe zur Lösung des Voitsberg-Problems abgestellt. Bartenstein hat großes Interesse, die Steirer ins Boot zu holen.
Fehringer pokert; er will vor einem Beitritt zur "e&s Neu" die Entscheidung des Kartellgerichts abwarten. Denn es könnte sein, dass das Gericht die Verbund-Beteiligung an der Steweag/Steg für unvereinbar mit der Vertriebsgesellschaft hält. Es sei eine problematische Konstruktion, wenn sich der Verbund zuvor im Bett eines späteren Konkurrenten eingenistet hat. Fehringers Prognose: Entweder löst sich der Verbund von seiner Steiermark-Beteiligung, oder aber er steigt gar nicht erst in die "e&s Neu" ein. Als dritte Möglichkeit bliebe noch, dass die EStAG auch Teil der ÖSL werde. Doch dafür müsste Attraktives geboten werden, denn die 100 Industriekunden - das sind 19% des heimischen Großkundenmarktes - nehmen knapp 2 TWh pro Jahr ab. Anders als bei Wienenergie oder EVN seien dabei die eigenen Kraftwerke nicht eingerechnet. Die EStAG läßt sich Zeit und wartet auf gute Angebote, außerdem besteht sie auf einer Vertriebsrepäsentanz in Graz.