Neuer Obmann muss frustrierte Partei rundum erneuern. | Kaum Platz für Sentimentalität. | Nationalratswahl als erste Nagelprobe. | Wien/Graz. Am heutigen Samstag schließt die steirische ÖVP auch das letzte Kapitel der zehnjährigen Ära Waltraud Klasnic ab. Beim Parteitag in Unterpremstätten bei Graz wählen 624 Delegierte den designierten Parteichef Hermann Schützenhöfer (54) zum neuen Landesobmann. Damit ist die Machtübergabe nach der historischen Wahlniederlage Klasnics bei den Landtagswahlen vom 2. Oktober endgültig vollzogen.
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Die Probleme der Partei, die bis vergangenen Herbst über sechzig Jahre die Geschicke des Landes bestimmte, sind allerdings längst nicht behoben. Und bisher ist erst in Umrissen klar, wie der neue starke Mann die Volkspartei programmatisch, personell und organisatorisch erneuern will. Vor allem in den Bereichen Jugend und Frauen hat die Partei den Wählern derzeit wenig anzubieten.
Die Voraussetzungen dafür sind mehr als schwierig: Erst langsam dämmert der erfolgsverwöhnten Landesgruppe, dass sie am 2. Oktober mehr als nur eine Wahl verloren hat. Die SPÖ ist nun die tonangebende Kraft im Land - daran ändern auch alle Beschwörungsformeln Schützenhöfers nichts, nach denen zwischen Rot und Schwarz gleiche Augenhöhe bestehe. Erster kann schließlich immer nur einer sein. Und der bestimmt über die lukrativsten Jobs in landesnahen Unternehmen.
Zur notwendigen Neuausrichtung gehört auch, dass die Partei die richtige Balance zwischen Regierungs- und Oppositionsrolle findet. Wie ein solcher Spagat erfolgreich bewältigt werden kann, hat ja die SPÖ in der vergangenen Legislaturperiode vorgezeigt.
Schüssel als Motivator gefordert
In Unterpremstätten wird auch Bundeskanzler Wolfgang Schüssel mit dabei sein. Er hat unmittelbar das größte Interesse an einer neuen Aufbruchsstimmung in der von Selbstzweifeln gequälten Partei. Denn bleibt die ÖVP auch bei den kommenden Nationalratswahlen im Land hinter der SPÖ zurück, kann Schüssel seine bundesweiten Hoffnungen auf Platz eins begraben. Der Bundesparteiobmanns wird daher diesmal vor allem als Motivationskünstler gefordert sein. Die Hauptlast ruht dennoch auf Schützenhöfers Schultern. Er muss die Delegierten in seiner Rede davon überzeugen, dass er ein erfolgversprechendes Zukunftskonzept hat, die Partei wieder zur stärksten Kraft zu machen. Gelingt dies nicht, drohen die Funktionäre in eine tiefe Depression zu verfallen. Die strukturelle Mehrheitsfähigkeit der steirischen Volkspartei im Land steht für diesen Fall zur Disposition.
Nicht zuletzt deshalb dürften sentimentale Danksagungen an die abtretende Klasnic kaum im Mittelpunkt von Schützenhöfers Rede stehen. Sein Ziel muss es sein, alle Kräfte auf die Zukunft zu fokussieren. Etwaige schwarze Hoffnungen, die Steirer würden schon von allein ihren Fehler vom 2. Oktober erkennen und reumütig zur ÖVP zurückkehren, sollten sich mittlerweile nämlich in Luft aufgelöst haben: Bisher sind Landeshauptmann Franz Voves und seiner SPÖ jedenfalls keine schweren Schnitzer unterlaufen - und Länderchefs pflegen gemeinhin abgewählt, nicht Herausforderer gewählt zu werden.