Mehrere Fragezeichen gibt es, denkt man an die EU-Wahl am kommenden Sonntag. Erstens: Kann zumindest die Wahlbeteiligung von 2004 (42,4 Prozent) erreicht werden? Zweitens: Warum gelingt es nicht, die Relevanz dieses Votums zu erklären? Drittens: Wie werden sich die Jungwähler verhalten?
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Was die Wahlbeteiligung betrifft, liegen die Prognosen bei 30 bis 40 Prozent. Dass die Europäische Union den Österreichern kein großes Anliegen ist, ist hinlänglich bekannt und durch mehrfache Untersuchungen auch belegt. Was haben die Parteien in diesem Wahlkampf getan, um den Menschen die Notwendigkeit einer Teilnahme zu erklären?
Da wird immer wieder Partizipation auf allen Ebenen verlangt, manche Parteien wollen nahezu alles und jedes einem Volksentscheid unterziehen. Wenn es aber darauf ankommt, die Politik der Union für die nächsten fünf Jahre zu bestimmen, versagen sämtliche Mobilisierungsmechanismen.
Eine halbe Million Menschen hat am Dienstagabend die sogenannte Elefantenrunde im ORF-Fernsehen verfolgt. Der Aufklärungsgrad hielt sich in sehr engen Grenzen. Außer, dass die Akteure einander nicht leiden können und alle für eine europäische Transaktionssteuer sind, hat man wenig Erhellendes erfahren. Wer nach diesem Auftritt noch zur Wahl geht, ist ein wahrer Demokrat.
Zum Zweiten: Das EU-Parlament funktioniert ähnlich wie das nationale. Entscheidend sind die Fraktionen. Allerdings wissen manche Abgeordnete nicht einmal, welcher Fraktion sie angehören werden. Andere wiederum wollen sich überhaupt keiner Gruppe anschließen.
Den Wählern wird suggeriert, dass Einzelkämpfer in Brüssel und Straßburg die wahren Macher seien und dass dort österreichische Partikularinteressen verfolgt würden. Als könnten Einzelpersonen Politik durchsetzen. Es geht doch darum, in welche Richtung Europa gehen soll.
Was die Mobilisierung der 85.000 Jungwähler betrifft, ist das Bild der Parteien erschütternd. Gerade haben die großen Parteien SPÖ und ÖVP mittels einer Studie belegt bekommen, wie schlecht sie in dieser Gruppe abschneiden. Was schließen die Parteistrategen daraus? Sie bemühen sich erst gar nicht um die 16-Jährigen. Mit Ausnahme der FPÖ hat keine einzige Partei die Erstwähler persönlich angeschrieben und zur Wahl geladen. Wie werden junge Menschen wählen, die nur von einer Partei sehr persönlich - zum Beispiel "Liebe Sophie!" - angesprochen wurden? Alleine die persönliche Anrede und die Einzigartigkeit des Schreibens kann sehr viel bewirken. Diese jungen Menschen fühlen sich dann eben nur von einer Partei ernst genommen.
Das Wehklagen im Nachhinein ist zu spät. Politik ist Wille zum Gestalten.