AMS rechnet für 2015 mit keinem Rückgang der Arbeitslosigkeit.
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Wien. "Auf die Frühjahrsbelebung folgt eine Herbstdepression", zeichnet Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), ein düsteres Bild der österreichischen Konjunktur. Das frühzeitige Ende der Konjunkturerholung bringe Jobs in Gefahr. "Ein Abbau von Beschäftigten ist unvermeidlich", sagt IV-Chefökonom Christian Helmenstein: Die Produktivitätssteigerungen in der Industrie würden nicht ausreichen, um den Beschäftigtenstand in vollem Umfang aufrecht zu erhalten. Besonders die Maschinen- und Metallwarenindustrie sowie die Elektroindustrie stehen laut Helmenstein unter erheblichem Preisdruck.
"Die Industrie hat bereits in den letzten Monaten merkbar Beschäftigte abgebaut", sagt Johannes Kopf, Vorstand des Arbeitsmarktservice (AMS). Zahlreiche Industrieunternehmen haben zuletzt Zeitarbeiter an die Arbeitskräfteüberlasser zurückgesendet. Diese gelten als Frühindikator für die Entwicklung am Arbeitsmarkt. Per Ende September verzeichneten die Arbeitskräfteüberlasser mit 14 Prozent neben dem Bau den höchsten Anstieg der Arbeitslosen im Vergleich zum Vorjahresmonat. In der Herstellung von Waren gab es ein Plus von 7,3 Prozent.
Konjunkturbarometer auf dem Tiefstwert seit zwei Jahren
Der Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt, der vor einem Jahr noch für 2014 erwartet wurde, bleibt aus. Nach einem schlechten Jahresbeginn herrsche in der zweiten Jahreshälfte "noch immer Katerstimmung", so Kopf. Auch für 2015 rechnet er nicht mit einem Anstieg der Beschäftigten und einem Rückgang der Arbeitslosigkeit. "Mittelfristig wird die Industrie aber wieder Beschäftigung aufbauen", so der AMS-Vorstand.
Im Moment zeichnet sich allerdings kein Konjunkturaufschwung ab - im Gegenteil: "Wir erleben einen Rückfall in die Stagnation", so Helmenstein. Der Wert des IV-Konjunkturbarometers, ein Mittelwert aus der Beurteilung der gegenwärtigen Geschäftslage und der Geschäftslage in sechs Monaten, ist heuer im dritten Quartal so niedrig wie zuletzt vor zwei Jahren. Die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage liegt auf dem schwächsten Niveau seit viereinhalb Jahren, wie die Umfrage unter 394 Unternehmen ergeben hat. Der einzige "Lichtblick": Der aktuelle Auftragsbestand in der Industrie wirke stabilisierend. Die Unternehmen sind bei der Produktionsplanung vorsichtig. Der Saldo für den Personalstand hat von plus zwei auf minus zehn Punkte ins Negative gedreht. Auch die Geschäftserwartungen in sechs Monaten haben sich von plus 15 auf minus 3 eingetrübt.
Warnung vor"japanischem Szenario"
Die IV rechnet für heuer nur mehr mit einem Wachstum von 0,75 Prozent in Österreich. Wifo und IHS hatten Mitte September wegen der schwachen internationalen Nachfrage und der dadurch gedrückten Exporte und Investitionen nur mehr 0,8 Prozent reales BIP-Plus für heuer prognostiziert.
Die heimische Wirtschaft sei "weit von einem sich selbst tragenden Aufschwung entfernt", so Helmenstein. Neben dem international schwachen Umfeld seien unzureichende Strukturreformen für die schwache Konjunktur verantwortlich. Die IV forderte erneut eine Steuerreform, die den Faktor Arbeit entlastet.
Mittelfristig stelle sich die Frage, ob Österreich ein "japanisches Szenario" mit längerfristiger Stagnation drohe, so Neumayer. Ewald Nowotny, Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank, sagte am Montagabend, dass sich Österreich auf ein "japanisches Szenario" vorbereiten müsse. Nowotny rechnet nicht damit, dass bald wieder Zeiten kommen, in denen längerfristig mit Wachstumsraten von drei und vier Prozent gerechnet werden kann. Derzeit gebe es zwei mögliche Szenarien: einerseits einen "normalen", durch Auf- und Abschwünge gekennzeichneten, insgesamt aber positiven Wirtschaftsverlauf, andererseits das "japanische Szenario" mit - wie in Japan schon seit 20 Jahren - niedrigem Wachstum, niedriger Inflation und damit de facto eine längerfristige Stagnation. Es gehe auch darum, sich auf eine Wirtschaftspolitik vorzubereiten, die bei geringerem Wachstum eine entsprechende Beschäftigung aufrechterhalten könne, so Nowotny: "Denn die größte Gefahr - ökonomisch wie auch politisch - sehe ich in einer lang anhaltenden Arbeitslosigkeit von jungen Menschen."