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Stellungnahme des türkischen Botschafters
Mit Bestürzung und Befremden verfolge ich die Meldungen, Karikaturen und Kommentare, die über die Ereignisse in der Türkei seit dem Abend des 15. Juli 2016 in Ihrer Zeitung erschienen sind.
Die Türkei wurde am Abend des 15. Juli mit einem Putschversuch gegen ihre verfassungsmäßige Ordnung konfrontiert. In dessen Verlauf wurde das Parlament, das Sinnbild für die Souveränität einer Nation, deren Geschichte sogar älter ist als unsere Republik, von F-16-Flugzeugen bombardiert, in Istanbul wurden Zivilisten an Brückenköpfen mit Panzern getötet, der Generalstabschef als Geisel genommen und das Gebäude der türkischen Radio- und Fernsehanstalt TRT besetzt und mit Gewalt die Verlesung einer Erklärung erzwungen.
Dabei sind bedauerlicherweise 208 unserer Bürger umgekommen, die die Demokratie verteidigten. Unsere Erwartung an unsere Freunde, Verbündete, Partner und die internationalen Organisationen ist in diesen schwierigen Tagen, sich auf der Grundlage unserer gemeinsamen Werte mit der Türkei und der türkischen Demokratie solidarisch zu erklären.
Dabei stellen wir fest, dass bereits große Solidarität gezeigt wird. Wir sehen jedoch auch, dass anhand einiger Vermutungen und nicht erfolgter Ereignisse im Zusammenhang mit den rechtlichen Schritten und der Strafverfolgung, die die Türkei gegen die Putschisten unternimmt, voreingenommene und unfaire Kritik geäußert wird. Ein solches Verhalten könnte auch Unterstützung für die Putschisten bedeuten.
Die Türkei ist ein demokratischer Rechtsstaat. Die Anführer des Putsches hatten es auf den demokratischen, laizistischen und sozialen Staat ebenso wie auf die verfassungsmäßige Ordnung abgesehen. Hinter dem Putschversuch steckt die Terrororganisation Fetullah Gülen. Kein Staat kann zwei Armeen, zwei Justizsysteme und zwei Polizeibehörden haben. Den Beteiligten des Putsches wird durch die unabhängigen Justizorgane im Rahmen unserer internationalen Verpflichtungen und geltenden Gesetze der Prozess gemacht und sie werden im Falle ihrer Schuld verurteilt.
Auf der anderen Seite fällt es mir schwer, zu verstehen, warum die Proteste in Wien zur Unterstützung des demokratischen Widerstandes des Volkes in der Türkei am Abend des 15. Juli und am 16. Juli Unbehagen auslösen.
In Österreich leben knapp 300.000 türkischstämmige Bürger. 114.000 davon sind immer noch türkische Staatsbürger. Dass Menschen, die im Fernsehen ihre Verwandten und Nachbarn unter den Panzern gesehen haben, auf die Straße gehen, um sich für die Demokratie einzusetzen, ist eine lobenswerte Handlung.
Wir hätten erwartet, dass nicht nur türkischstämmige Bürger, sondern auch unsere österreichischen Freunde sich mit Fahnen in der Hand den Protesten überall auf der Welt angeschlossen hätten.
Wieso werden die Zelte der PKK, die seit Jahren auf der Liste der Terrororganisationen der EU steht, nicht als Import des Kurdenproblems nach Österreich angesehen, während die Demonstrationen für die Demokratie als solcher betrachtet werden?
Mehmet Hasan Gögüş,
Botschafter der Republik Türkei