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"Ich werde als erste durchs Ziel gehen", rechnete ÖVP-Spitzenkandidatin Ursula Stenzel gestern nach der Stimmabgabe in Wien damit, daß sie am Abend die Früchte ihrer Arbeit und des persönlichen | Einsatzes ernten kann. Sie ist mit sehr viel Selbstvertrauen in den Wahlkapf gegangen und hat einen Persönlichkeitswahlkampf geführt. "Wenn ich gewinne, ist das eine ungeheure Sache, dann wäre mein | Persönlichkeitsbonus zum Tragen gekommen · und das Durchschauen von Manövern des politischen Gegners."
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Gedulden mußten sich unzählige Journalisten und Fotografen, bis sie Stenzel in das Wahllokal · Volksschule Ober-St. Veit in Wien Hietzing · begleiten durften, denn die ÖVP-Spitzenkandidatin hatte
zuvor mit ihrem Ehemann Heinrich Schweiger die Messe in der Pfarrkirche Ober St. Veit, die gestern ihren Kirchenpatron St. Vitus feierte, besucht. Nach der "Jugendmesse" von Josef Haydn fühlte sich
Stenzel "sehr besinnlich". Der Weg in das Wahllokal führte sie an ihrem, wie sie immer wieder betonte, "wahren Gegner" Viktor Klima vorbei.
Auch für den Fall, daß die ÖVP diesmal nicht als Nummer eins ins Ziel gehe, was sie nicht glaube, sei sie Fixstarterin als Europaabgeordnete. Ob sie nicht an Konsequenzen für diesen Fall denke?
"Warum sollte ich? Ich werde auf jeden Fall gewählt."
Sollte es nicht gelingen, Platz eins zu halten wäre das am "Bauchthema" Neutralität, dem Frust der ÖVP-Kernschichten · etwa den Bauern · und einem möglichen "Seiteneffekt durch die Kandidatur der
CSA" zurückzuführen, analysierte Stenzel im Café Schwarz gegenüber der Volksschule. Über zu wenig Unterstützung seitens der ÖVP war von ihr nichts zu hören.
Am Nachmittag gab es dann einen Europa-Brunch im Café Residenz im Schloß Schönbrunn, zu dem sich auch ÖVP-Bundesparteiobmann Vizekanzler Wolfgang Schüssel und Generalsekretär Othmar Karas einfanden.
Karas will den Ausgang der EU-Wahl unterschiedlich bewerten. Der Erfolg der ÖVP werde am Ergebnis der EU-Wahl von 1996 zu messen sein, bei der SPÖ hingegen will Karas einen Vergleich mit den letzten
Nationalratswahlen anstelen, denn diese hätte auch einen Nationalratswahlkampf geführt. Ein Sieg gehe zu gleichen Teilen auf das Konto von Stenzel und der ÖVP. Bei einem Verlust sei ein Umkehrschluß
aber nicht möglich.
Stenzel selbst dachte noch während des Brunches, an die künftige Arbeit in Brüssel und Straßburg. "Die Parlamentsarbeit beginnt mit einem heißen Sommer", gab sich Stenzel keiner Illusion eines
längeren Urlaubes hin. Es müßten Vorgaben für die künftige EU-Kommission erarbeitet werden, die im Herbst bestellt werden soll.
Burgschauspieler Heinrich Schweiger, der sich vor kurzem einer schweren Operation unterziehen mußte, freut sich aber jetzt schon auf einen kurzen gemeinsamen Aufenthalt in ihrem Haus am Irrsee im
Salzkammergut. "Ich bin froh, daß es vorbei ist", sagte er, obwohl man ihm den Stolz über seine "Uschi" anmerkt. Wenn er von seiner Frau spricht, gerät er förmlich ins Schwärmen. Sie sei so voll bei
der Sache, weil sie Begeisterung habe. Das sei wie beim Theater: "Wenn man eine Rolle mit Begeisterung spielt, merkt man die Anstrengung nicht".