Warum sich junge Erwachsene ebenso mit dem Tod und der Sterbehilfe beschäftigen.
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Wien. Momentan arbeitet eine Enquete-Kommission zum Thema "Sterbehilfe" an einer klaren Position zu diesem Thema. Denn diese existiert in Österreich bis dato noch nicht. Im Regierungsprogramm ist bekanntlich vorgesehen, ein Verbot der Sterbehilfe in der Verfassung zu prüfen, jedoch nicht alle in den Regierungsparteien können sich dies auch vorstellen.
Ist die Generation Y mit diesem Vorhaben d’accord oder sieht sie das womöglich anders? Beschäftigen sich junge Menschen überhaupt mit dem Tod und insbesondere der Sterbehilfe? Wenn ja, weshalb?
Thema der Generation Y
Oft wird behauptet, Sterbehilfe sei ein Thema, mit dem sich lediglich die ältere Generation auseinandersetzt - zumal diese existenziell davon betroffen ist. Nur sie sollten über die Legalisierung des assistierten Suizids bestimmen dürfen, ist der klassische Tenor. Während die Jugend noch ihr ganzes Leben vor sich hat und zuweilen mit anderen Sorgen beschäftigt ist. Doch sieht die Realität ein wenig anders aus. Das Thema Sterbehilfe ist sehr wohl etwas, womit sich der junge Erwachsene gerne in seiner Reflexion über die Welt herumschlägt. Trendforscher Andreas Reiter erklärt, warum dem so ist. "Die sogenannte Generation Y ist viel stärker wertorientiert als jede andere Generation bisher. Die Verwirklichung des Lebens als individuelles Projekt, bei dem die eigene Selbstverwirklichung die größte Rolle spielt, ist den jungen Menschen das Wichtigste. Sie wollen das Leben als selbstbestimmtes Individuum führen und sich keinen, von einer äußeren Instanz aufoktroyierten, Regeln unterwerfen", erklärt der Jugendforscher.
"Menschen leben heutzutage in der Regel um einiges länger als früher. Das zeigt der demographische Wandel. Deswegen werden junge Leute immer häufiger mit den Problemen des Alters und dem Tod selbst konfrontiert. Das hat zur Folge, dass die Jungen ebenso über das Thema Sterbehilfe und inwiefern sie über das Ende ihres Lebens selbst bestimmen dürfen, nachdenken", sagt Trendforscher Reiter. Oft verbringen Kinder, deren Eltern aufgrund intensiver Arbeitszeiten wenig Zeit für sie finden, viel Zeit bei ihren Großeltern. Das verstärkt deren Konfrontation mit dem Altern und in letzter Instanz mit dem Tod.
Kein Tabuthema mehr
Eines dieser Kinder, das primär von seinen Großeltern aufgezogen wurde, ist Maximilian Oberrauner, 22-jähriger Student an der Wirtschaftsuniversität Wien.
"Der junge Erwachsene hat Großeltern, zu denen er oft eine innige Beziehung führt. Vor allem, wenn Eltern viel arbeiten müssen, verbringen Kinder oft Zeit bei ihren Großeltern. Ich war genau so ein Kind. Daher, so finde ich, bin ich meinen Großeltern schuldig, dass ich mich mit diesem Thema beschäftige", sagt der junge Student. An diesem Beispiel ist gut zu erkennen, dass die Auseinandersetzung mit Sterbehilfe durchaus eine zwischenmenschliche, soziale Komponente impliziert. Man will seinen Großeltern etwas zurückgeben und fühlt sich verantwortlich über den Tod und insbesondere über Sterbehilfe zu reflektieren, wenn nahe Verwandte, die viel Zeit in einen investiert haben, langsam dem Tod von Angesicht zu Angesicht stehen.
Timea Zawodsky, 20-jährige Politikwissenschaftsstudentin, ist ähnlicher Ansicht, wobei für sie der Hauptgrund, sich mit ebendiesem Thema auseinanderzusetzen, ein anderer ist. "In unserem Alter ist es oft so, dass man beobachtet, wie die eigenen Großeltern langsam älter werden und zugrunde gehen. Ich selbst will nicht gerne so langsam dahinsiechen, sondern hätte gerne einen kurzen, schmerzfreien Tod. Warum ich mich damit beschäftige? Naja, da es ein Thema ist, das gesellschaftlich tabuisiert ist, mache ich mir eigentlich sehr gerne darüber Gedanken. Wozu diese Verklemmung bei solchen Themen?", erklärt die junge Studentin der "Wiener Zeitung".
Nini Köstler, Psychologiestudentin der Universität Wien, ist ebenso eine jener jungen Erwachsenen, die sich schon einige Gedanken über Sterbehilfe gemacht haben. "Ich finde es wichtig, dass man sich schon als junger Mensch Gedanken darüber macht. Meiner Meinung nach sollte jeder über das Ende seines persönlichen Lebens selbst bestimmen und dem ein Ende setzen dürfen, sofern er unter starken, chronischen Schmerzen leidet und in der Lage ist, diese letzte Entscheidung auch selbst zu treffen. Der Arzt sollte bei dieser Entscheidung der einzig wesentliche Ansprechpartner sein, finde ich."
Junge Menschen beschäftigen sich also durchaus mit Themen, die sie zwar nicht direkt, aber wohl indirekt betreffen. Vor allem aus dem Grund, weil sie ihr Leben selbstbestimmen wollen. "Das Mitansehen des Todes eines nahen Verwandten ist eines von vielen Beispielen, das im Lebenskontext eines Menschen oftmals eine tragende Rolle spielt. Wenn junge Menschen den Tod eines Großelternteils, der sich langsam und sukzessive ereignet, mitbekommen, reflektieren sie darüber und erkennen, dass sie über das Ende ihres Lebens selbst bestimmen wollen. Sie wollen nicht, dass ihnen dabei Grenzen gesetzt werden. Die Möglichkeit der Selbstbestimmung ist ihnen unheimlich wichtig", hält Alexander Reiter fest.
Unterschiedliche Regelungen
In Österreich ist jedoch, entgegen dem Wunsch der Jungen, Sterbehilfe verfassungsrechtlich nicht legalisiert. Wie schaut die Situation in anderen Ländern aus? Es gibt einen triftigen Unterschied zwischen "aktiver" und "passiver" Sterbehilfe - also Tötung auf Verlangen beziehungsweise dem assistierten Suizid - im Hinblick auf deren Legalisierung. "Aktive" Sterbehilfe ist nur in sehr wenigen Ländern gesetzlich erlaubt. Die Niederlande waren das erste Land weltweit, das "aktive" Sterbehilfe legalisiert hat. Seit dem Jahr 2002 ist es Ärzten erlaubt, dem Patienten eine tödliche Spritze zu verabreichen, sofern dieser dies ausdrücklich wünscht und geistig in der Lage ist, diese Entscheidung zu treffen. Dem sehr liberalen Beispiel der Niederlande ist bisher nur Belgien gefolgt. Belgien ist neben den Niederlanden das zweite Land, in dem Tötung auf Verlangen gesetzlich erlaubt ist. In der Schweiz ist die Lage ein wenig anders. Dort gibt es die Möglichkeit auf assistierten Suizid; Tötung auf Verlangen ist dort jedoch nicht möglich.
Bei unseren deutschen Nachbarn sieht die Lage ähnlich aus wie bei uns. "Aktive" Sterbehilfe ist dort ebenfalls gesetzlich verboten. Assistierter Suizid ist zwar möglich, wegen der Garantenstellung drohen Ärzten und Verwandten, die dem Sterbewilligen dabei helfen, aber Haftstrafen. Das hat zur Folge, dass Patienten, die des von Schmerzen geplagten Lebens überdrüssig sind, nicht selten in die Schweiz pilgern. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der Fall "Schneider". Der Chef der evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, sicherte seiner Frau zu, er würde ihren Wunsch nach Sterbehilfe unterstützen. In der Folge musste er seine Funktion zurücklegen, weil die Kirche Selbsttötung und die Beihilfe zum Suizid ablehnt.