Bei der Sterbehilfe-Enquete fehlten Neos und Grünen relevante Themen. Nun polarisiert die SPÖ mit einer liberalen Idee.
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Wien. Die SPÖ möchte über eine Straffreiheit bei Beihilfe zum Suizid sprechen. In Österreich droht dafür derzeit eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. In anderen EU-Ländern wie Deutschland, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg, aber auch in der Schweiz ist sie unter gewissen Voraussetzungen bereits straffrei.
Die Möglichkeit soll hierzulande für Patienten geschaffen werden, die sich über einen längeren Zeitraum in einem qualvollen Zustand befinden, sagt SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim. Es sei aber ein Thema, das sich "nicht parteipolitisch verordnen" lasse. In jeder Partei könnten hier unterschiedliche Meinungen vorliegen. "Wir machen das nicht aus Jux und Tollerei, sondern aus Verantwortung", sagt Jarolim weiter. Die Frage ist: Warum jetzt?
Ein "zu heißes" Thema
Denn die letzte öffentliche Sitzung der von der Regierung initiierten Enquete-Kommission zur "Würde am Ende des Lebens" ging erst im Jänner zu Ende. Ein Ergebnisbericht ist für die erste Märzwoche geplant. Heikle Themen wie eine mögliche Straffreiheit des assistierten Suizids wurden aber nur beiläufig angesprochen. Neos und Grüne prangerten das in der letzten Sitzung an.
Rudolf Edlinger (SPÖ), Vizepräsident des Seniorenrats, trat als einer der wenigen schon damals für eine Diskussion über den gesetzlich verbotenen assistierten Suizid ein. Auch wenn er für sich die Frage nicht beantworten konnte, er forderte eine.
Die Debatte sollte es aber zu keiner Zeit geben. Auf der Tagesordnung standen überwiegend Fragen zu Hospiz- und Palliativmedizin. Am letzten Tag wurden noch die Vorsorgevollmacht, die Patientenverfügung sowie die Aufnahme eines Sterbehilfeverbots in die Verfassung, die die ÖVP forderte, diskutiert.
Das Sterbehilfeverbot in der Verfassung war übrigens zu keiner Zeit möglich. Dafür hätte die ÖVP eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat gebraucht. SPÖ, Neos und Grüne lehnten das aber stets restriktiv ab, das Thema war damit vom Tisch. In Regierungskreisen ist zu hören, dass es im Vorfeld ein Abkommen zwischen SPÖ und ÖVP gegeben haben soll, laut dem die Volkspartei heikle Themen auslassen konnte, wenn sie dafür im Gegenzug die Forderung nach dem Verbot aufgibt. Sie hätte es später deswegen nur noch halbherzig behandelt.
Jarolim verneint das. Er verweist auf das Regierungsprogramm, in dem steht, dass sich die Regierung in Form einer Enquete-Kommission mit der Verankerung in der Verfassung beschäftigen wird. "Das war uns aber zu wenig. Die SPÖ hat sich dafür eingesetzt, die Palliativ- und Hospizbetreuung sowie die Vorsorgeinstrumente ebenfalls zu diskutieren", sagt er. "Eine Debatte über eine Straffreiheit bei assistiertem Suizid mit hohen Hürden war kein Thema. "Wobei es richtig ist, dass man die Veranstaltung dafür hätte nutzen können. Haben wir aber nicht. Das hätte die ÖVP nicht zugelassen." In der SPÖ wäre eine Liberalisierung auch keine Mehrheitsmeinung, sagt Jarolim. Und der Partei war das Thema "zu heiß" für die Enquete. "Wir haben den Fokus auf die Punkte gelegt, die wir einvernehmlich lösen konnten."
Die Enquete-Kommission hätte aber genug Input geliefert, um dieses Thema nun großflächig zu diskutieren, erklärt Jarolim.
"Scheingeplänkel-Charakter"
Die Grünen wollten das gerne schon während der Veranstaltung machen. "Wir hätten Zeitressourcen für heikle Themen wie die Beihilfe zum Suizid gehabt", sagt die grüne Gesundheitssprecherin Eva Mückstein. Politiker und Experten waren sich ab der ersten Sitzung einig darüber, die Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich flächendeckend auszubauen. Die Diskussion zog sich allerdings über vier der fünf Termine. "Zwei Sitzungen hätten gereicht", meint Mückstein. "Die Kommission hatte einen Scheingeplänkel-Charakter." Sie ist froh darüber, dass die SPÖ als Regierungspartei nun einen ersten Schritt in diese Richtung gemacht hat. Eine Folge-Enquete sei nämlich aus ihrer Sicht in dieser Legislaturperiode unwahrscheinlich. Die lehnt Jarolim auch ab. Ihn beschreibt Mückstein übrigens als "liberalen Geist" in dieser Frage.
Die Grünen unterstützen eine Straffreiheit, wenn der Wille der Person nachweisbar ist, sie an einer unheilbaren Krankheit leidet und sich ein Sterben abzeichnet. Als rechtliche Absicherung könnte laut Mückstein die Ethikkommission dienen.
Keine Geschäftemacherei
Über eine Liberalisierung reden möchte auch Gerald Loacker von den Neos, nach dessen Aussagen in den 670 eingegangenen Stellungnahmen der Bürger an die Kommission oftmals Fragen zur Beihilfe zum Suizid vorkamen. "Viele fragen sich, warum sie dafür in die Schweiz fahren müssen. Oder warum man als Ehemann in Österreich belangt werden kann, wenn man seine Frau dorthin begleitet. Auch der Alterssuizid ist ein großes Thema", sagt Loacker. Er glaubt, dass diese Punkte im Endbericht im März nicht vorkommen werden, weil sie die ÖVP möglicherweise unterbindet. "Darauf werden wir achten."
Loacker fehlte die Debatte über Themen wie die Beihilfe zum Suizid. Dafür treten die Neos ein, wenn "kein Geschäftsinteresse dahintersteckt". Für Loacker geht es dabei nicht um Mehrheit oder Minderheit, "sondern um das eigene Leben; die Leute wollen nicht vorgeschrieben bekommen, wie sie zu sterben haben".
Die SPÖ hat mit einer möglichen Liberalisierung des Beihilfe-Passus eine schwierige Debatte eröffnet. Eine Gesetzesänderung scheint aus heutiger Sicht aber nur schwer umsetzbar. Bisher sind neben SPÖ nur Neos und Grüne dafür. Die FPÖ lehnt wie das Team Stronach die Beihilfe zum Suizid ab. Und freilich wird es hierfür keine Unterstützung vom Koalitionspartner geben.