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Blumen, Wein, Kino, Theater, Schnitzel: Für welche Produkte steigt Mehrwertsteuer und was hat das mit Entlastung zu tun?
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Wien. Der Mehrwert der Steuerreform und der Applaus dafür wird sich daran messen, wie viel den Menschen ab 1.1.2016 zusätzlich im Börsel bleibt. Blöd nur für die Regierung, dass seit Monaten weniger über diesen Mehrwert der Steuersenkung spekuliert wird, sondern über die Mehrwertsteuer - und zwar, wo ermäßigte Steuersätze von 10 Prozent erhöht werden. Die Regierung plant, einzelne Sätze dort anzuheben, wo es nicht besonders wehtut und mit den Einnahmen einen Teil der Entlastung bei der Lohnsteuer gegenzufinanzieren. 400 Millionen sollen dadurch reinkommen - bei einer geplanten Steuersenkung von insgesamt fünf Milliarden ein relativ kleiner Beitrag.
Hinter jeder Tür eine Lobby
Die Aufregung über dieses Detail der Reform ist aber groß. Denn hinter jedem ermäßigten Steuersatz, der nun auf dem Prüfstand steht, steht eine Lobby, die aufschreit. Ihren Protest gegen die Pläne bereits deponiert haben Floristen, Buchverlage, Kulturveranstalter, Hoteliers, Kinobetreiber und Bauern. In den Kinos läuft bereits ein Spot gegen die angedachte Verteuerung der Karten. Auf Facebook formierte sich der Widerstand der Künstler.
Weil der Punkt so umstritten ist, wird noch immer darüber verhandelt, ist aus gut informierten Kreisen zu hören. Die ÖVP will möglichst viele ermäßigte Steuersätze heranziehen und dafür nur dezent um drei Prozentpunkte von 10 auf 13 Prozent erhöhen. Die SPÖ will weniger Steuersätze, dafür kräftiger erhöhen (Ab-Hof-Wein, Kino, Bücher, Museen, Eintrittskarten, Tierfutter, Blumen, Flugtickets). Prämisse: Niedrigverdiener nicht stark zu treffen. Für beide ausgeschlossen ist die Anhebung der ermäßigten Sätze für Miete, Nahrungsmittel, Transport oder Medikamente. Auch die starke Hotelier-Lobby soll sich erfolgreich gegen eine Verteuerung der Nächtigungen gewehrt haben. Und das Schnitzel mit Kartoffelsalat? Dafür ist die Steuererhöhung noch nicht angerichtet. Die Massenzeitung "Heute" hat am Dienstag über eine Verteuerung des Schnitzels spekuliert. In der Gastronomie gelten für Speisen zehn Prozent Mehrwertsteuer. Doch diese Steuerhöhung ist noch nicht fertig angerichtet. Denn Gastronomen kämen dann doppelt zum Handkuss. Wie berichtet, sollen sie zu einer Registrierkasse verpflichtet werden. Die SPÖ erhofft sich dadurch eine Milliarde Euro zusätzlicher Einnahmen. Dass die Gastronomie auch noch durch die höhere Mehrwertsteuer zur Steuerreform beitragen soll, ist schwer vorstellbar.
Es würde auch einem Ziel der Steuerreform zuwiderlaufen: die Konjunktur anzukurbeln. Die Menschen sollen, so das Kalkül, die Entlastung dafür nutzen, mehr einzukaufen und damit die Wirtschaft in Schwung zu bringen. Das könnte nach den Berechnungen der Experten bis zu einer Milliarde Euro neuer Steuern in den Staatstopf spülen. Wenn Blumen ein paar Cent teurer werden, wird das die Kauflaune kaum dämpfen. Aber beim Schnitzel hört sich bei den Österreichern der Spaß auf - sofern die Änderung im 30-Centbereich überhaupt auffällt.
Ökonomen freut’s
Für Ökonomen ist die Beseitigung des Wildwuchses bei den steuerlichen Ausnahmen überfällig. Niedrigere Mehrwertsteuern seien nur gerechtfertigt, wenn sie einen sozialen Zweck erfüllen. So sollen Medikamente und Lebensmittel leistbar bleiben. Besucher der Salzburger Festspiele, den Ehemann am Valentinstag oder den Weißwein-Fan auf Landpartie zu begünstigen, leuchtet dabei schon weniger ein. Durch die fixen Sätze würden die Förderungen gar nicht mehr auf ihren Zweck hin überprüft. Deswegen sei es viel vernünftiger, Förderungen - etwa für Theater - direkt zu vergeben. Dort lässt sich dann besser steuern, ober man eher die Salzburger Festspiele oder das kleine Hinterhoftheater als Förderfall ansieht.
Ökonomen sehen auch deswegen Spielraum für eine Verlagerung von der Lohnsteuer zur Mehrwertsteuer, weil diese Steuer das Wachstum der Wirtschaft weniger hemmt als zu teure Arbeit. Der Think Tank Weis[s]e Wirtschaft empfiehlt eine starke Anhebung der Mehrwertsteuern, um die Lohnsteuer runterzufahren. Bei dieser liegt Österreich in der EU auf Platz drei, bei der Mehrwertsteuer nur auf Platz 13, was die Belastung betrifft.
Rote Warnschüsse
Wie stark die Mehrwertsteuer angehoben wird, ist nicht zuletzt eine ideologische Frage. Die SPÖ versprach nämlich, zur Gegenfinanzierung der Steuersenkung hauptsächlich Reiche zur Kasse zu bitten, nicht Beislkunden oder Galane. Die aufmüpfige Abgeordnete Daniela Holzinger droht - wie in der "Wiener Zeitung" berichtet - bereits damit, gegen die Reform zu stimmen, wenn nicht ein bis zwei Milliarden aus Vermögenssteuern kommen. Der Tiroler SPÖ-Chef Ingo Mayr lässt Ähnliches anklingen, falls sich die Arbeitnehmer die Senkung der Lohnsteuer durch die Belastung in anderen Bereichen großteils selbst zahlen.