Höhere Mehrwertsteuer soll zur Gegenfinanzierung beitragen.
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Wien. Die Industriellenvereinigung hat ein "Gesamtkonzept" für eine Steuerreform ausgearbeitet: Vorrangig sei die Entlastung des Faktors Arbeit, die seit vielen Jahren Thema sei, aber nie umgesetzt werde. Für Lohn- und Einkommensteuersenkungen und die Reduktionen der Lohnnebenkosten ist ein Volumen von 12,6 Milliarden Euro vorgesehen.
Die Gegenfinanzierung setzt sich aus Ausgabensenkungen, Strukturreformen bei Pensionen, in der Verwaltung und im Gesundheitsbereich und aus einer Streichung von Förderung zusammen. 9 bis 12 Milliarden könnte aus diesen Maßnahmen zur Gegenfinanzierung lukriert werden, wie Berechnungen der IV-Experten ergeben haben. Als "Polster", sollte nicht alles aus diesen Maßnahmen gehoben werden können, könnte eine Mehrwertsteuererhöhung von 20 auf 22 Prozent herangezogen werden. Innerhalb einer Gesamtreform sei auch eineÄnderung der Grundsteuer denkbar: Dabei sollen verschiedene Kategorien von Grundflächen geschaffen werden.
Ziel einer solchen Steuerreform sei: "Erstens, die Menschen sollen mehr Geld zur Verfügung haben. Zweitens sollen Wachstum und Entwicklung gefördert werden, wodurch - bei voller Implementierung des IV-Konzepts bis 2020 - zusätzlich 84.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Und drittens soll das Steuersystem fairer, transparenter und einfacher werden." So fasste IV-Präsident Georg Kapsch das Konzept der Industrie zusammen.
Die größte Steuerentlastung soll es laut IV im Bereich der unteren und mittleren Lohnsteuerzahler geben. Allerdings würden 160.000 derzeit steuerbefreite Arbeitnehmer mit niedrigem Einkommen - bis zu 11.000 Euro jährlich fällt keine Steuer an, das betrifft derzeit 2,7 Millionen Menschen - künftig steuerpflichtig. Die Steuertarifstufen sollen von vier auf fünf ausgeweitet werden und beginnen nicht bei 32,1 Prozent, sondern bei 10 Prozent.
Bagatellesteuern streichen
Einen gewissen Ausgleich für jene Arbeitnehmer, die ab monatlich 773,26 Euro in die 10-Prozent-Tarifstufe fallen würden, erwartet sich die IV durch eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel und nichtalkoholische Getränke von 20 auf 5 Prozent. Allerdings soll die Umsatzsteuer auf Mieten, Medikamente und Krankenanstalten von 10 auf 11 Prozent angehoben werden.
Bei den Lohnnebenkosten soll gespart werden, indem die Beiträge zum Familienlastenausgleichsfonds, die Kommunalsteuer und die Sozialversicherungsbeiträge gesenkt und der Wohnbauförderungsbeitrag gestrichen werden. Auch die Bankenabgabe soll wieder fallen. Die Wohnbauförderung würde gemäß IV-Modell künftig aus der Umsatzsteuer finanziert. Alle Bagatellsteuern sollen gestrichen werden.
IV-Präsident Kapsch will jetzt in erster Linie Verbündete in der Zivilgesellschaft für das Modell suchen, aber auch in der Politik für Zustimmung werben. "Das ist kein Hardliner-Konzept einer reinen Industrievertretung, es ist ein gesamtgesellschaftliches Konzept", sagte er bei der Präsentation vor Journalisten.
Die Chancen auf Umsetzung stehen - nach ersten Reaktionen zu urteilen - aber schlecht. Am freundlichsten war die ÖVP, deren Finanzsprecher Günter Stummvoll zwar die Vorschläge zur Lohnsteuersenkung als in die richtige Richtung gehend bewertete, in Sachen Mehrwertsteuer werde es aber noch "intensive Gespräche" geben müssen. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter lehnte eine höhere Mehrwertsteuer klar ab: Ein Mehrwertsteuerzuschlag sei sozialpolitisch, und konjunkturpolitisch kontraproduktiv. Auch für FPÖ und Grüne kommt diese Maßnahme nicht in Frage. Das BZÖ plädierte für eine 39-prozentige "Flat Tax".
Arbeiterkammer und ÖGB lehnten eine höhere Mehrwertsteuer ebenfalls ab. Sie forderten, wie auch SPÖ und Grüne, stattdessen höhere Vermögenssteuern. Freundlicher dagegen die Reaktion von Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl: Für ihn gehen die IV-Vorschläge "in die richtige Richtung", Vermögenssteuern lehnt er ebenfalls ab.