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Steuerflucht trotz Wohnsitz im Inland?

Von Alfred Abel

Wirtschaft

Formel-1-Fahrer tun es und andere heimische Spitzensportler auch; Künstler tun es und Starautoren und Malerfürsten. Sie alle lieben ihre Heimat. Aber sie alle haben etwas gegen den österreichischen Fiskus, den hohen Steuertarif und die vermeintliche Bürokratie.


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Sie brechen ihre inländischen Zelte ab und übersiedeln in eine passende Steueroase, vorzugsweise nach Monaco oder Malta oder nach Irland, manchmal auch bloß in die Schweiz. Die verbleibende Wohnung in der Heimat könnte allerdings manchmal zum Risiko werden. Seit Jahresbeginn gibt es aber dafür eine hilfreiche Lösung.

Wer im Inland lebt, ist hier unbeschränkt steuerpflichtig; das heißt, man muss alle Einkünfte - wo immer man sie auf der weiten Welt ins Verdienen bringt - zusammen mit den österreichischen Einkünften dem hiesigen Fiskus melden und hier versteuern. Unbeschränkt heißt also: Steuer vom Welteinkommen, und da hat man häufig den Finanzminister als 50%-Partner dabei. Voraussetzung für "unbeschränkt" ist je-denfalls, dass man hier auch seinen Wohnsitz hat (oder we-nigstens seinen dauernden Aufenthalt); andernfalls brauchte man nicht das Welteinkommen, sondern nur die inländischen Einkünfte dem Finanzamt zu melden.

Den Begriff Wohnsitz legt die Finanz sehr eng aus. Ein Fe-rienhaus ist jedenfalls einer, ein Untermietzimmer, sogar ein dauernd zur Verfügung stehendes Hotelzimmer ist ein Wohnsitz, egal ob man dort auch tatsächlich wohnt oder nicht; die Möglichkeit allein genügt schon. Die Wohnung muss auch nicht standesgemäß sein; ein Wohnwagen allein tut's aber auch nicht.

Totalabschied von der Heimat

Die unbeschränkte Steuerpflicht ist nicht jedermanns Sache und wer regelmäßig in der Millionen-Euro-Kaste verdient, sinnt auf Auswege aus der 50%igen Steuerlast. Hier helfen findige Anwälte und Steuerberater. Sie vermitteln steuergünstige Hauptwohnsitze in Oasen-Ländern. Der Hemmschuh für den präsumptiven steuerlichen Emigranten ist freilich die notwendige Totalaufgabe des bisherigen heimatlichen Wohnsitzes. Denn nur wer wirklich alle Brücken zur Heimat offiziell abbrechen kann, kann sich der inländischen Steuerschraube voll entziehen.

Eine Spezialtruppe von Steuerfahndern ist damit beschäftigt, den Steuerflüchtigen nachzuspüren, ob sie sich vielleicht nicht doch noch irgendeine Wohnmöglichkeit zurückbehalten haben, von der der Fiskus die unbeschränkte Steuerpflicht ableiten kann. Werden die Fahnder fündig, hat das für den Betroffenen meistens desaströse finanzielle Folgen.

70 Tage Heimaturlaub sind unschädlich

In dieser Situation zwischen Steuerflucht und Kriminalisie-rung veröffentlichte die heimische Finanzverwaltung kürzlich eine Verordnung), die den juristischen und steuerlichen Beratern die Sprache verschlug. Der Ukas im Kurztext: Wer ins Ausland übersiedelt, darf seinen heimischen Wohnsitz künftig ruhig behalten (oder neu begründen). Wenn er die Wohnung nachweislich nicht mehr als 70 Tage im Jahr benutzt (Stricherlliste machen!), dann darf er Steuer-Ausländer sein und braucht in Österreich trotzdem nur das zu versteuern, was er in Österreich verdient, jedenfalls nicht sein "Welteinkommen". Er kann beschränkt einkommensteuerpflichtig sein. Soweit die Verordnung, die ab 2004 anzuwenden ist.

Der erstaunliche Gesinnungswechsel des Finanzministers sollte nun freilich nicht dazu führen, dass sich ab sofort alle Reichen und Superreichen ins Oasen-Ausland verziehen. Es müssen erst fünf Kalenderjahre des Auslandsaufenthalts vergangen sein, ehe die neue Verordnung genutzt werden kann. Dafür ist dann allerdings die 70 Tage-Frist praktisch unüberprüfbar.

Einladung zur Steuerflucht?

Was steckt hinter dem unerwarteten Wohlwollen des Fis-kus? In den Erläuterungen zur Verordnung liest man: "Hier-für war die rechtspolitische Überlegung maßgeblich, dass es nicht im österreichischen Interesse liegen könne, im Ausland lebende Personen durch eine überspitzte Handhabung des Wohnsitzkonzepts davon abzuhalten, Österreich als Feriendomizil zu wählen und durch ihre inländischen Investitions- und Konsumausgaben wirtschaftsbelebend aufzutreten".

Bedeutet die neue Verordnung etwa auch eine Einladung zur Steuerflucht bei gleichzeitig zulässigem Zweitwohnsitz im Inland? Österreichs kritischster Steuerexperte Werner Doralt hält dies für möglich. Und weiter: "Davon abgesehen hat der Finanzminister nicht die Kompetenz, Steuerflüchtlinge mit einem Steuerprivileg auszustatten".

Die Spezialtruppe der Steuerfahnder kann sich indes neuen Aufgaben widmen. Eine "überspitzte Handhabung des Wohnsitzkonzeptes" wird nicht mehr gebraucht.

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) BMF-Verordnung BGBL. II Nr. 528