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Steuern in hoher See

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Zuerst müsse budgetärer Spielraum geschaffen werden, danach sei eine Steuerreform möglich. Das Ziel: noch in dieser Legislaturperiode (bis 2018). Das sagte Finanzminister Michael Spindelegger am 3. Mai. Zehn Tage später ist alles anders, nun kann es plötzlich nicht schnell genug gehen. Jetzt wird die Zeit der Reformen ausgerufen. Auch der Kanzler, der sich bisher eine Steuerreform eher distanziert gewünscht hat, macht plötzlich Tempo.

Dass dies nicht nur einer wiedergefundenen Gestaltungsfreude, sondern auch politischem Druck und schlechten Umfragewerten der Regierungsparteien zu verdanken ist, ist evident. Denn abseits der aktuellen Ankündigungen ist klar, dass beide Parteien noch nicht die geringste Ahnung haben, wohin die Reise gehen wird.

Nun beginnt jede Reise damit, dass Steuermänner die Route festlegen, während das Boot noch im Hafen liegt.

Das Boot Österreich liegt allerdings schon geraume Zeit im Hafen, die Route könnte es also längst geben. Beide Parteien wollen den Eingangssteuersatz, der mit 36 Prozent sehr hoch ist und niedrige Einkommen stärker belastet, senken. Das kostet etwa 4,8 Milliarden Euro.

An der Gegenfinanzierung scheiden sich die Geister. Die SPÖ will Vermögensteuern, die ÖVP spricht von Einsparungen. Ob es allerdings billiger wird, wenn die Lehrer samt und sonders den Bundesländern übertragen werden, ist alles andere als sicher. Auch die dafür notwendige Verfassungsmehrheit ist noch weit weg.

Nun wollen beide Parteien bis Herbst die Route zur Steuerreform festgelegt haben. Angesichts der bisherigen Geschwindigkeit und Reformfreude ist das ein durchaus ambitioniertes Ziel.

Doch die Not ist groß. Nicht nur in der Bevölkerung haben SPÖ und ÖVP an Glaubwürdigkeit verloren, auch innerhalb der beiden Parteien steigt der Unmut über die jeweilige Parteiführung.

Es ist ausschließlich das Prinzip Hoffnung, das den jetzigen Versprechungen Kraft verleiht. Wenn also im Herbst kein überzeugendes Konzept für eine Steuerreform auf dem Tisch liegt, wird es eng. Wenigstens für die handelnden Personen, denn im Nationalrat und in den Landtagen steigt die Sorge der SPÖ- und ÖVP-Abgeordneten, abgewählt zu werden wegen des Glaubwürdigkeitsdefizits der gemeinsamen Regierung.