In öffentlichen Aufrufen präsentieren linke Gruppen Ideen zur Rettung der EU.
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Brüssel. Ein Sozialfonds für Griechenland? Ein Freiwilligenjahr für alle Europäer? Technische Unterstützung für kleine Unternehmen, damit sie auch im Ausland aktiv werden können? Ob zielführend oder nicht - an Ideen, die Krise in Europa zu mindern oder zumindest soziale Klüfte zu verringern, fehlt es nicht. Während die EU-Kommission Bausteine für eine künftige Bankenunion präsentiert und um engere Zusammenarbeit der einzelnen Staaten wirbt, während die Länder mit ihren jeweiligen Sparprogrammen ringen, gehen die Sorgen anderer über das Szenario eines Zerfalls der Euro-Zone hinaus. Sie sehen nicht nur die ökonomische, sondern auch eine politische Krise: die Gefahr, dass von Europas Einheitsgedanken, von einem Grundkonsens zur gemeinsamen Arbeit an sozialen und demokratischen Standards nicht viel übrig bleibe.
In Österreich sind es linksgerichtete Gruppen wie beispielsweise die Bewegung Attac, die "die sträfliche Vernachlässigung von Arbeitsmarkt- und Verteilungspolitik sowie sozialer Sicherung" anprangern. In einem Aufruf, den prominente Künstler und Wissenschafter - unter anderem der Schriftsteller Franzobel, der Politologe Emmerich Talos oder der Wirtschaftswissenschafter Helmut Kramer - unterzeichnet haben, wird nicht weniger als die Weiterentwicklung der EU zu einer Solidarunion gefordert. Die Besteuerung von Finanztransaktionen ist Attac schon lange ein Anliegen, ähnlich wie die umfassende Regulierung von Finanzmärkten. Deren Deregulierung sei nämlich eine der Krisenursachen gewesen, ebenso wie die auseinanderdriftende Verteilung von Einkommen. Statt dies aber zu benennen, "werden die Staatsdefizite zu einer Staatsschuldenkrise umgedeutet, um damit eine desaströse Sparpolitik zu legitimieren", heißt es in dem Aufruf.
Für eine Bürgergesellschaft
Eine genauer umrissene Idee zu einer "Neugründung der EU von unten" legt ein Manifest dar, für deren Unterstützung der deutsche Soziologe Ulrich Beck und der grüne Europaparlamentarier Daniel Cohn-Bendit Politiker, Intellektuelle und Künstler wie Jacques Delors, Jürgen Habermas, Patrice Chereau oder Herta Müller gewonnen haben. In dem Dokument, das in mehreren europäischen Zeitungen veröffentlicht wurde, plädieren sie für ein freiwilliges Jahr für alle. Sie suggerieren, dass die Institutionen und Regierungen der EU einen Bruchteil von dem Geld, das sie für Bankenrettungen verwenden, zur Finanzierung dieses Dienstes bereitstellen könnten. Dabei gehe es jedoch nicht um "ein Almosen an die arbeitslosen Jugendlichen" sondern einen "Selbstgründungsakt der europäischen Bürgergesellschaft". Indem Menschen eine soziale Tätigkeit in einem anderen Land übernehmen, nationale aber auch ethnische Grenzen überschreiten, könnten sie verhindern helfen, dass Europa zu einem Feindbild werde.
In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" wurde das Manifest zunächst bespöttelt. Ob es denn darum gehe, dass ein deutscher Arbeitsloser in einem französischen Altersheim seine Dienste anbietet und damit Europa rettet - Fragen dieser Art wurden da aufgeworfen. Als Antwort darauf rücken die Initiatoren die Idee einer europäischen Zivilgesellschaft in den Vordergrund. Deren Bildung sei für die Zukunft der EU ebenso ausschlaggebend wie finanzielle Hilfsprogramme.