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Steuern zahlen reicht nicht

Von Walter Hämmerle

Politik

Die soziale Infrastruktur sollte nicht von freiwilligen Dienstleistungen abhängig sein, ist der Stuttgarter Politologe, Oscar Gabriel, überzeugt. Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" plädiert er daher für einen verpflichtenden Sozialdienst.


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Keinen Zweifel hat Gabriel, ob der Staat überhaupt das Recht hat, von seinen Bürgern Dienstleistungen, seien sie nun militärischer oder sozialer Natur, verlangen zu können: "Mit der Staatsbürgerschaft sind immer auch Rechte und Pflichten verbunden. Allerdings sind in den letzten Jahren die Rechte überbetont worden und die Pflichten unter den Tisch gefallen. Mit dem Steuerzahlen allein ist es nicht getan." In der nun - vor dem Hintergrund des Trends in Richtung Berufsheer - aufkommenden Diskussion über den Zivildienst sieht der Politologe eine Chance, diese "Schieflage" zu korrigieren.

Die Organisation von Sozialdienstleistungen sieht Gabriel im Zusammenhang mit dem dahinter stehenden Menschenbild: "Wollen wir tatsächlich eine Gesellschaft, die sich durchgängig einzig und allein nach dem Marktprinzip organisiert?"

Grundsätzliche Bedenken hat Gabriel beim Modell eines freiwilligen Sozialdienstjahres: "Es ist problematisch, wenn die soziale Infrastruktur einer Gesellschaft, die hauptsächlich von den karitativen Hilfsorganisationen bereit gestellt wird, auf Gedeih und Verderb von der freiwilligen Erbringung der Leistungen abhängig ist." Gabriel plädiert daher für einen verpflichtenden Sozialdienst, der Frauen und Männer miteinschließt.

Auch vor allzu euphorischen Interpretationen der in Umfragen bekundeten großen "grundsätzlichen Bereitschaft" zu sozialem Engagement warnt er: "Zwischen einer abstrakten Bejahung und der konkreten Bereitschaft zu sozialem Engagement klafft eine große Lücke." "Regelmäßig bekunden zwischen 70 und 80 Prozent ihre Bereitschaft, aber nur rund 40 Prozent sind tatsächlich ehrenamtlich aktiv."