Brüssel nimmt Steuerprivilegien in Irland, Holland und Luxemburg genau ins Visier.
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Brüssel. Große Unternehmen machen sich die unterschiedlichen und meist sehr komplexen Steuergesetze in Europa gerne zunutze, um ihre Steuerzahlungen auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Solche legalen Tricks sind besonders beliebt bei den multinationalen Konzernen, die ihre Gewinne innerhalb eines ausgeklügelten Geflechts aus Tochterfirmen hin- und herschieben und damit die Steuerschlupflöcher optimal ausnutzen.
Die EU sah lange tatenlos zu. Doch angesichts klammer Budgetkassen und hoher Staatsschulden haben sich mehrere Mitgliedsländer und die Brüsseler Kommissionden gemeinsamen Kampf gegen die Steuerflucht auf ihre Fahnen geheftet. Ins Visier gerieten dabei vor allem Länder wie Luxemburg, die Niederlande oder Irland, die mit niedrigen Steuersätzen für Unternehmen und anderen Privilegien um die Ansiedelung von Multis buhlen. Nicht alle Lockangebote sind legal. So wird schon lange gemutmaßt, dass Irland und die Niederlande spezielle Steuernachlässe für ausgewählte Großkonzerne wie Starbucks oder Apple ausverhandelt hätten - Dublin bestreitet dies jedoch vehement. Nun geht die EU-Kommission der Causa nach.
Kartellbehörde wurde aktiv
Wie die "Financial Times" in der Donnerstagausgabe unter Berufung auf informierte Kreise berichtet, hat die EU-Kartellbehörde die Regierungen dieser drei Länder nun aufgefordert, ihre Steuerbestimmungen im Detail schriftlich darzulegen - unter besonderer Berücksichtigung von Zusicherungen gegenüber bestimmten Firmen, einschließlich der US-Konzerne Apple und Starbucks. Noch handle es sich um eine informelle Untersuchung, betont das Blatt; sollte die EU-Kommission allerdings einen Rechtsbruch, unter anderem wegen Wettbewerbsverzerrung, feststellen, droht den betroffenen Ländern ein EU-Strafverfahren, das damit enden könnte, dass sie Milliarden Euro an Steuern nachzahlen müssten - konkret die Summe, die die gewährten Steuerzuckerln ausmachten. EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia bestätigte am Donnerstag, dass Brüssel das System der Steuererleichterungen derzeit genau unter die Lupe nimmt. Keine der angesprochenen Regierungen wollte sich bislang jedoch zu den kolportierten Nachforschungen äußern.
"Double Irish"
Irland war im Mai vom US-Senat dafür verantwortlich gemacht worden, dass sich der US-Telekomriese Apple seinen Steuerpflichten in den USA und anderswo weitgehend entzieht. Als Grund wird in dem Bericht ein Sonderdeal genannt, den Apple mit dem EU-Land ausgehandelt habe. Demnach zahlt der Konzern dort über seine irischen Tochterfirmen, über die der Großteil des Auslandsgeschäfts läuft, lediglich zwei Prozent Körperschaftssteuer - statt der in Irland üblichen 12,5 Prozent, was im EU-Vergleich ohnehin ein ausgesprochen niedriger Satz ist. Dublin dementierte damals. "Es gibt keine Regeln für besondere Steuersätze", wurde versichert. Faktum ist: Von dem im Vorjahr außerhalb der USA verbuchten Gewinn von 36,8 Milliarden Dollar zahlte Apple nur 1,9 Prozent an Steuerabgaben. Damit hatte der IT-Konzern sein System der Steuerumgehung weiter perfektioniert.
Eine Frage des Deals
In Großbritannien war voriges Jahr vor allem die US-Kaffeehaus-Kette Starbucks wegen ihrer besonders kreativen Steuergebarung "auf Staatskosten" unter Beschuss geraten. Das Unternehmen nützt ein Schlupfloch in den Niederlanden, wonach für die Wertschöpfung aus geistigem Eigentum keine Körperschaftssteuer anfällt. Dadurch entgingen den Briten Steuereinnahmen in Milliardenhöhe. Holdings und multinationale Konzerne haben in Holland neben niedrigen Steuersätzen zudem die Möglichkeit, mit der Steuerbehörde Spezialverabredungen zu treffen, die der Geheimhaltung unterliegen. Mit ein Grund, warum sich dort 2500 ausländische Firmen als Briefkastenfirmen registrieren ließen.
Die EU-Kommission will diesen Praktiken nun das Handwerk legen. Immerhin entgehen der Union durch Steuerbetrug, -hinterziehung und -oasen rund 1000 Milliarden Euro pro Jahr. Unterstützung erhält die EU dabei von der Organisation für Wirtschaft und Zusammenarbeit in Europa (OECD), deren ehrgeiziger 15 Punkte umfassender Aktionsplan zum Kampf gegen Steueroasen jüngst auch auf dem G20-Gipfel einhelligen Zuspruch fand.