Bei einem einzigen Betrieb wurde in drei Jahren Steuervorteil von 360.000 Euro errechnet. | Verordnung landet beim Europäischen Gerichtshof. | Finanzministerium hält bis dahin daran fest.
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Wien. Im August hat Finanzministerin Maria Fekter noch vorgeschlagen, für Betriebe bis zu einem Umsatz von einer Million Euro eine Steuerpauschale einzuführen - der Einfachheit halber. Das hätte sie wohl nicht so vollmundig gesagt, wenn sie das - bisher unbekannte - Urteil des Unabhängigen Finanzsenats Innsbruck vom 30. März 2011 gekannt hätte. Für "Gaststätten- und Beherbergungsbetriebe" gibt es nämlich eine Steuerpauschale, und die wertet dieser Senat nun als "Steuergeschenk" und als "nicht (bei der EU, Anm. d. Red.) notifizierte Beihilfe".
Die Pauschale schaut grob gesprochen so aus: Wenn der Jahresumsatz 255.000 Euro nicht überschreitet, dann fallen jährlich für Einkommen- und Umsatzsteuer pauschal 10.900 Euro an. Monatlich gerechnet heißt das: Bruttoeinnahmen von 21.250 Euro werden pauschal mit 908,34 Euro Steuern belegt.
Für Tausende Wirte und Hoteliers - vor allem in den westlichen Tourismusregionen und in den Städten - beginnt damit das große Zittern. Bei dem konkreten Fall eines mittelständischen Betriebes errechnete die Tiroler Finanz in den Jahren 2003 bis 2006 einen Steuervorteil aus der Pauschalierung in Höhe von immerhin 360.347,39 Euro.
"Erheblicher Steuervorteil"
Das war dem dortigen Finanzsenat dann doch zu üppig, und nicht nur ihm. In einem Gutachten kommen die Universitätsprofessoren Herbert und Georg Kofler, der Steuerberater Gottfried Schellmann (und die Professoren Dietmar Aigner und Michael Tumpel) zum Schluss: "Die pauschalierte Gewinnermittlung und pauschalierte Ermittlung von Vorsteuerbeträgen nach der Gaststätten-Pauschalierungsverordnung kann im Einzelfall (. . .) zu erheblichen Steuervorteilen führen", heißt es in der Studie.
Dieser "Einzelfall" dürfte aber in Österreich zum Massenphänomen werden, denn die Unternehmen können jährlich auswählen, welche Besteuerungs-Methode sie wählen. Eine recht kommode Lösung, wenn man bedenkt, dass die Mehrwertsteuersenkung für Wirte in Deutschland - auf Betreiben der FPD - zu einem massiven Aufschrei über steuerliche Ungerechtigkeit geführt hat.
Der Finanzsenat etwa ist der Meinung, dass "selbst Steuervorteile in einer Größenordnung, wie sie im vorliegenden Fall zu Tage treten (360.347,39 Euro, Anm. d. Red.), offenbar keine Seltenheit sind." Vor allem "in touristisch attraktiven Regionen" würde dies "zu gravierenden steuerlichen Vorteilen führen".
Betrieb entscheidet, was ihm lieber ist
Die Wirte-Pauschale wird frank und frei als "Beihilfe" gewertet, und Innsbruck hat den konkreten Fall auch zurückgefordert. Nun liegt es - so auch Studie - an Verwaltungsgerichtshof und Europäischen Gerichtshof, "diese Frage zu klären". Steuerberater bewerten die Chance, dass die EU dies kippt als, "hoch".
Denn die Wirte und Hoteliers können jährlich selbst entscheiden, welche Besteuerungsmethode ihnen lieber ist. "In Jahren, in denen die (. . .) Aufwandskategorien ins Gewicht fallen, wird die Pauschale verlassen. In den übrigen Jahren wird sie angewandt." Konkret heißt das, wenn Investitionen den versteuerbaren Gewinn drücken, wird ganz normal versteuert. In Jahren, in denen es solche Ausgaben nicht gibt, wird pauschaliert.
Ein gutes Geschäft für Wirte und Hotelbesitzer, ein schlechtes für den Fiskus.
Dabei hat die Pauschale, die im Verordnungsweg geregelt wird, einen gänzlich anderen Sinn. Sie sei - so heißt es in einem juristischen Standardwerk - "unter dem Gesichtspunkt der Vereinfachung für den Steuerpflichtigen, nicht aber unter dem eines Steuergeschenkes zu definieren. Sonst sind sie mit Gesetzwidrigkeit behaftet."
Das Einkommen- und Umsatzsteuergesetz trägt dem auch Rechnung. Es definiert die Steuerpauschale als eine Leistung, die nicht wesentlich von dem Betrag abweicht, der sich ohne Anwendung der Durchschnittssätze ergeben würde.
Die gelebte Wirklichkeit scheint offenbar anders auszusehen.
Für die Finanzbehörden ist es gar nicht so einfach, dem nachzuspüren, denn mit der Steuerpauschale geht Hand in Hand eine reduzierte Aufzeichnungspflicht: Wer dem Fiskus keine Rechnungen vorlegen muss, der tut sich in der Ausgabengestaltung schon leichter, geben auch Steuerberater im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" zu.
Finanzverwaltung bleibtvorsichtig
Eine von der Finanzministerin vorgeschlagene Anhebung auf eine Million Euro Jahresumsatz wäre für diese Berufsgruppe ein warmer Regen. Da der aktuelle Fall aber bei den Höchstgerichten anhängig ist, dürfte die Finanzverwaltung, so ist aus Finanzämtern zu hören, eher auf der Bremse stehen.