Der Wahlkampf für die britischen Parlamentswahlen am 5. Mai läuft auf Hochtouren. Nachdem am Dienstag die Konservativen und am Mittwoch Premierminister Blairs Labour-Partei ihre Programme präsentiert hatten, folgten gestern die Liberaldemokraten nach. Alle drei Parteien stellten dabei ihre Wirtschaftspläne für die kommenden fünf Jahre in den Vordergrund.
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Tony Blair, der nach zwei erfolgreichen Legislaturperioden zum letzten Mal kandidiert und dies am Mittwoch auch öffentlich proklamierte, setzt bei seiner Wahlkampagne vor allem auf die Wirtschaftskompetenz von New Labour. Die Daten können sich - im Gegensatz zu den übrigen EU-Ländern - tatsächlich sehen lassen: Das Wirtschaftswachstum liegt bei 3 Prozent, mit 4,7 Prozent Arbeitslosigkeit herrscht nahezu Vollbeschäftigung und die Inflationsrate konnte auf 2 Prozent gehalten werden.
Durch die hohe Konsumnachfrage und die Schaffung neuer Arbeitsplätze gelang es sogar, die Staatsschulden abzubauen und die Steuereinnahmen zu erhöhen. Die Chancen, dass Labour erstmals in der Geschichte eine dritte Amtszeit in Folge gewinnt, stehen also gut. Laut letzten Umfragen liegt die Partei bei 39 Prozent - ganze 6 Prozentpunkte vor den Tories und 18 vor den Liberalen.
Zu Blairs Wahlversprechen zählen eine Erhöhung des Mindestlohns, die Einführung einer 12-monatigen Mutterkarenz bei voller Bezahlung, die Verbesserung des Gesundheitswesens, Bildungsförderprogramme für Jugendliche und mehr Sicherheit auf den Straßen. Bei der Umsetzung des ambitionierten Programms will er auf Steuererhöhungen verzichten, dafür staatliche Dienstellen noch drastischer abbauen. Die Einkommenssteuer (Höchstwert 40 Prozent), verbürgte sich Schatzkanzler und Blair-Kronprinz Gordon Brown, werde keinesfalls angetastet. Dies brachte ihm bereits höhnische Kommentare seitens der Konservativen ein. Leere Versprechen auf Kosten der Bürger, die die Zeche dann halt über erhöhte Abgaben - etwa bei der Sozialversicherung - zu bezahlen hätten, tönte es aus dem Umfeld von Parteichef Michael Howard. Doch hat auch er für sein Wahlprogramm - das im Wesentlichen genauso auf mehr Sicherheit, Gesundheit und Erziehung abzielt - bisher keine plausiblen Finanzierungsvorschläge vorgelegt. Im Gegenteil: Die Tories werben sogar mit Steuersenkungen. Allein Liberalen-Chef Charles Kennedy wagte es gestern, die Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 50 Prozent zu fordern. Damit sollen Bildungs- und Sozialprogramme gesichert bzw. verbessert werden. Die Offensive zielt vor allem auf die enttäuschten Old-Labour-Wähler ab, der neben dem britischen Militärengagement im Irak die neoliberale Politik von Blairs New Labour ein Dorn im Auge ist.
Um einige Wählerstimmen reicher dürfte der 48-Jährige seit Mittwoch jedenfalls sein. An dem Tag hatte der letzte britische Autokonzern von Rang, MG Rover, angekündigt, 6.000 Arbeiter zu kündigen. Das Unternehmen ist bankrott und hatte am Freitag Konkursantrag gestellt. Bis zu 25.000 Arbeitsplätze der Zulieferindustrie sind ebenfalls gefährdet.