Der erste große Einsatz lief vor zwei Jahren: Ein Prüfertrupp der Finanz rückte bei den oberösterreichischen Bierbrauern ein und brachte seine neue Prüf-Software in Stellung. Die Aktion hatte Breitenwirkung. In kürzester Zeit hatten die Steuerleute die Brauereikunden durchforstet, die Abnehmermengen analysiert und die peniblen Daten der Getränkehersteller abgespeichert. Was folgte, war eine Blutoper unter den Gastronomen. Seither wissen die Betriebe, was ihnen blüht, wenn die Steuerprüfer mit Notebooks und aufbereitetem Kontrollmaterial bei ihnen vorstellig werden.
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Die Voraussetzungen für die elektronische Einschau der Finanzbeamten in das Zahlenmaterial der Unternehmungen wurden schon vor mehreren Jahren durch die Erweiterung der Bundesabgabenordnung geschaffen. Seither sind die Unternehmungen, die ihr Rechnungswesen mittels Computern bearbeiten, verpflichtet, entsprechende Auswertungen in Form von Druckdateien oder Exportfiles auszugeben, aufzubewahren und einem Steuerprüfer zur Verfügung zu stellen. Die Einführungszeit für diese fiskalische Ansage ist inzwischen abgelaufen: Seit Jahresbeginn 2001 ist sie Verpflichtung - selbst für einen kleinen Einnahmen-Ausgaben-Rechner, soferne er mit Computerhilfe arbeitet. Die Druckdateien sind das Spielmaterial, das die Prüfer in ihre ärarischen Notebooks einarbeiten und mit Hilfe einer ausgeklügelten Software anschließend in vielfacher Weise durchkneten. Mit Hilfe ihres Prüfungsprogramms können bestimmte Geschäftsfälle aus der Masse der buchhalterischen Zahlenfelder herausgefiltert werden und nach bestimmten Schlüsseln umformatiert bzw. neu sortiert werden.
Kein Eingriff in die Firmen-EDV
Es können buchhalterische Lücken oder Mehrfachbelegungen erkennbar gemacht und in dazu abgegrenzten Geschäftsbereichen Stichprobenverfahren angewendet werden. Das Rechnungswesen wird für die Finanz zur gläsernen Realität.
Wesentlich ist, dass - anders als im deutschen Nachbarland - der elektronisch aufgerüstete Steuermann nicht in das EDV-System des zu prüfenden Unternehmens eindringen oder eingreifen darf. Er ist ausschließlich auf jene Druckdateien angewiesen (und darf nur diese übernehmen und verarbeiten), die ihm das Unternehmen zur Verfügung stellt - und zur Verfügung stellen muss.
Turboprogramm findet Schwachstellen
An einem einfachen Beispiel aus der Praxis demonstrierte Bernhard Kurz, Projektleiter für Prüfsoftware in der Finanz, vergangenen Montag vor staunenden Steuerberatern die Effizienz des neuen fiskalischen Röntgenprogramms. Aus einem kilometerlangen Registrierkassenstreifen eines Gastronomiebetriebes konnte er in Sekundenschnelle erhebliche Divergenzen zwischen den bonierten Speisen und Getränken einerseits und den zugehörigen Zahlungseingängen andererseits herausfiltern, konnte zeitliche Lücken in der Losungserfassung des Betriebes feststellen und stieß auf die erstaunliche Tatsache, dass bestimmte Fleischspeisen offenbar immer nur von den Kellnern selbst, niemals aber auch von Gästen konsumiert worden waren.
Eine derartige Prüfung nach der traditionellen Methode hätte enormen Zeitaufwand erfordert und wohl kaum den gleichen gründlichen Einschauerfolg erbracht; abgesehen davon, dass Kisten voll ausgedruckter Kassenstreifenrollen bei keinem Prüfer besondere Hochgefühle erwecken.
Geteilte Begeisterung bei den Prüfern
1.800 Damen und Herren sind derzeit im Rahmen der steuerlichen Betriebsprüfungen beschäftigt, etwa ein Drittel davon in der sogenannten Großbetriebsprüfung, der Rest in den Amtsbetriebsprüfungsstellen der Finanzämter. Die Zahl ist übrigens seit zwei Jahren rückläufig. Während die Großbetriebsprüfer mit der neuen Prüfsoftware schon weitgehend aufgerüstet sind, stecken die Amtsprüfer noch im Einschulungsmodus. Unterstützung finden sie bei jenen schon weiter fortgeschrittenen Kollegen, die im neuen Fachbereich "Verfahrensbetreuung für Prüfsoftware" zusammengefasst sind. Dass die Finanz mit der Einführung der elektronischen Prüfverfahren unter den Prüfern ungeteilte Begeisterung erzeugt hätte, entspricht freilich nicht den Tatsachen.
"Nicht jeder Prüfer lässt sich eben zum EDV-Experten ausbilden", sagt Kurz. Außerdem gibt es offenbar manchmal auch starke mentale Blockaden, die das Arbeiten mit der amtlich auffrisierten Software scheitern lassen. Kurz, nachdenklich: "Durchschnittlich verlieren wir in jedem Jahr einen Prüfer durch Selbstmord."
Mehrergebnis als Erfolgsfaktor
Dass die Finanz mit der Einführung der Prüfsoftware auf schnellere Prüfungsabläufe drängt, ist klar. Nicht unbedingt auch auf Mehrergebnisse, meint Kurz (was unter den anwesenden Steuerberatern mildes Lächeln hervorruft). Nach der Statistik führen allerdings tatsächlich ein Viertel bis ein Drittel aller Prüfungsfälle zu einem Null-Ergebnis, was freilich von den Prüfungsleitern nicht gerne gesehen wird, weil es den amtsinternen Erfolgsfaktor, die Ergebnisbilanz der Prüfergruppe, drückt. Mit Hilfe der im Notebook verarbeiteten Unternehmenszahlen kann freilich jeder Prüfer nachweisen, ob dort wirklich nichts zu holen war und ob er die Prüfung aus berechtigten ökonomischen Gründen vorzeitig beendete.
Nur unwillig wird von der Finanz zugegeben, dass sich die prüferische Zielerreichung am Anteil der Prüfungsfälle mit einem erheblichen Mehrergebnis und das Mehrergebnis wiederum an der Zahl der Prüfungstage orientiert. Dabei ist der Einsatz der Prüfungssoftware freilich bloß ein Teil der Neuorientierung, die der Fiskus für seine Prüfertruppe vorsieht.
Künftig sollen die "kleinen" Amtsbetriebsprüfungsstellen örtlich mehr Zuständigkeiten erhalten, die Lohnsteuerprüfer in die Betriebsprüfungen integriert und Maßnahmen zur Effizienzsteigerung der Großbetriebsprüfungsstellen getroffen werden. Auch eine Facette am Weg zum Nulldefizit.