Zum Hauptinhalt springen

Steuerquelle Kerosin anzapfen?

Von Klaus Faißner

Wirtschaft

Jeder Autofahrer zahlt beim Tanken Treibstoffsteuer. Wenn jedoch eine Airline ihr Flugzeug betankt, dann tut sie dies steuerfrei. Seit jeher kritisierten Umweltaktivisten diesen Umstand, jetzt hat der Vorstoß von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel für eine EU-Steuer diesen Umstand ins Gespräch gebracht. Fluglinien warnen unterdessen vor "unverkraftbaren weiteren Kostenbelastungen".


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Ich sehe nicht ein, dass wir im europäischen Luftraum unversteuerten Treibstoff verwenden", erklärte Schüssel kürzlich und fragte nach dem ökonomischen und ökologischen Nutzen von Billigflügen. Der Bundeskanzler wies darauf hin, dass sich die EU damit eine eigene Finanzierungsquelle erschließen könne - und redete somit einer EU-Steuer das Wort. Die zuständige EU-Haushaltskommissarin Michaele Schreyer zeigte auch prompt Sympathien für den Vorschlag Schüssels. Ihr Kollege aus dem Agraressort, der Österreicher Franz Fischler, hält eine EU-Steuer zwar nicht für sehr realistisch, kann sich aber dafür nur zwei Einnahmequellen vorstellen: Entweder die internationalen Finanzströme (diese "Tobin-Steuer" wäre Fischler sympathischer) - oder eben Kerosin.

Die weltweite Steuerfreiheit für Flugbenzin wurde bereits vor 60 Jahren im Chicagoer Abkommen von 1944 beschlossen. Damit sollte der Luftverkehr, der damals noch in den Kinderschuhen steckte, unterstützt werden. Inzwischen ist das Verkehrsmittel Flugzeug längst erwachsen geworden. In jüngster Zeit schossen Billigfluglinien aus dem Boden und machten nicht nur den ohnehin vielfach sorgengeplagten nationalen Fluggesellschaften das Leben schwer, sondern eröffneten auch die Schnäppchenjagd über den Wolken. Lockangebote ließen so manchen von einer etablierten Fluglinie umsteigen und brachten auch viele "neue", bisher eher selten fliegende Menschen, in die Flugzeuge.

Knoflacher: "Längst fällig"

"Aus meiner Sicht ist eine Steuer auf Kerosin längst fällig", findet TU-Wien-Verkehrsexperte Hermann Knoflacher klare Worte. Das Beispiel der boomenden Billigfluglinien zeige, dass es Zeit sei, auf den "Boden der Tatsachen zurückzufinden" und die "unglaublichen Privilegien des Flugverkehrs" einzudämmen. Die Kernfrage sei jedoch, was mit der Steuer bezweckt werden soll. Er mahnt, keine "Steuer um der Steuer Willen" zu machen. Für das Ende des steuerfreien Flugbenzins sprechen laut Knoflacher sowohl soziale (Fluglärm), wirtschaftliche ("Transport kostet fast nichts"), als auch ökologische Gründe (z.B. erhöhte Wirksamkeit der Flugzeug-Abgase beim Abbau der Ozonschicht).

Es gebe zwar alternative - auch durchgeführte - Konzepte, wie die Erhöhung der Landegebühren und der Fluggebühren (über Ticketpreise), ergänzt Erwin Mayer, Klima- und Energieexperte von Greenpeace. "Aber nur eine Kerosinbesteuerung macht die Flugzeuge sparsamer und könnte den Flugverkehr eindämmen."

Mit heftiger Kritik reagieren hingegen die Fluglinien auf den Vorschlag einer möglichen Kerosinbesteuerung: "Der Luftverkehr kann sicher keine weiteren Kostenbelastungen mehr verkraften", spricht AUA-Pressesprecher Johannes Davoras die schwierige Situation der vergangenen zwei Jahre an und wehrt sich namens der gesamten Branche gegen eine "nicht zweckgebundene Steuer". Zu sehr seien die Kapitaldecken der Fluggesellschaften ausgedünnt. Auch bezweifelt Davoras, dass eine solche Steuer einen Lenkungseffekt im Sinne einer Ökosteuer hätte: "Dies wäre nur der Fall, wenn die Airlines diese Steuer ihren Kunden weiter verrechnen könnten. Das wird sich aber im heutzutage harten Wettbewerb keine Airline leisten können." Außerdem würden sich bei einer EU-Steuer Wettbewerbsverzerrungen ergeben, da "Fluggesellschaften auch mit Nicht-EU- und internationalen Carriern im intensiven Wettbewerb stehen." Wenn eine solche Steuer Sinn mache, dann nur in weltweiter Umsetzung.

"Kerosin ist ein wesentlicher Kostenfaktor und macht bei europäischen Airlines rund zehn bis zwölf Prozent der Gesamtkosten aus", erklärt Davoras. "Eine Kerosinsteuer würde sich auf Billigfluglinien noch stärker auswirken als auf die nationalen Fluggesellschaften", ergänzt Peter Hauptvogel, Pressesprecher von Air Berlin, die auch an der neuen Linie von Niki Lauda beteiligt ist.

Drohen 50.000 Arbeitslose?

Ins selbe Horn stößt Stefan Schaffrath, Umweltsprecher der Lufthansa: "Im Jahre 1999 hat eine von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie ergeben, dass eine Kerosinsteuer in derselben Höhe der Mineralölsteuer den Verlust von EU-weit 50.000 Arbeitsplätzen bedeuten würde - bei einer CO2-Gesamteinsparung von 0,34 Prozent." Dem gegenüber ließe sich mit einer optimierten Flugsicherung weit mehr CO2 einsparen. Eine optimierte Flugsicherung würde kürzere Wartezeiten und weniger Warteschleifen in der Luft bedeuten und eine Kerosineinsparung von vier bis sieben Prozent bringen. Außerdem würde eine EU-weite Kerosinsteuer die Gefahr in sich bergen, dass es immer noch "Tankinseln" wie die Schweiz geben könnte. "In Folge käme es zu einem Flugzeug-Tanktourismus, die Flugzeuge würden schwerer und man hätte der Umwelt erst recht einen Bärendienst erwiesen." Weiters gibt Schaffrath zu bedenken, dass die Kerosinsteuerbefreiung in bilateralen Luftverkehrsabkommen festgehalten sei und diese Abkommen neu ausverhandelt werden müssten.

Dem Vorwurf, dass die Flugbranche hoch subventioniert sei, kann Schaffrath nichts abgewinnen: "Die Lufthansa wird nicht subventioniert. Der Luftverkehr in Deutschland zahlt seine Infrastruktur- und Wegekosten im Gegensatz zu anderen Verkehrsträgern über Gebühren selbst." Aufgeschlagen auf einen Liter Kerosin seien dies zwischen 35 Cent (im internationalen Verkehr) und ein Euro (auf innerdeutschen Flügen). Außerdem würden völlig verschiedene Ansätze zur Berechnung der Subvention des Flugverkehrs herangezogen: So habe beispielsweise für das Jahr 1998 das Umweltbundesamt die Höhe mit 1,8 Mrd. Euro angegeben, während der Subventionsbericht der Bundesregierung rund 250 Mill. Euro ausgewiesen habe.

Ähnlich sieht dies auch AUA-Pressesprecher Davoras: "Würde man nun dem Flugverkehr auch noch Treibstoffsteuern auferlegen, würde dieser für seine Infrastruktur doppelt zur Kasse gebeten werden." Hinzu komme noch, dass der Flugverkehr mit externen Kosten, wie z.B. Sicherheitsgebühren belastet ist, die andere Verkehrsträger nicht tragen.

Streit um Infrastrukturkosten

Diese Aussagen verärgern die Bahnbetreiber: "Wir zahlen seit Jahren ein Infrastrukturbenützungsentgelt, das man auch als Schienenmaut bezeichnen könnte, an den Staat. Im Vorjahr waren das 333 Mill. Euro", erklärt Andreas Rinofner, Pressesprecher der ÖBB. Zudem liege in Österreich die Abgabenlast auf Bahnstrom an der europäischen Spitze - 2003 mussten dafür 35,4 Mill. Euro bezahlt werden. "Die Wettbewerbsbedingungen zwischen den einzelnen Verkehrsträgern waren bisher einfach nicht fair." Die Konkurrenz zu den Billigfliegern sei in Österreich aufgrund der kleineren Staatsfläche nicht so groß wie in Deutschland, "im internationalen Fernverkehr haben wir aber Rückgänge im Ausmaß von zehn Prozent verzeichnet". Durch kontingentierte Bahn-Billigfahrscheine ("29 Euro - alles inklusive") in viele Städte mit klassischen Flugdestinationen habe man aber wieder Marktanteile zurückgewinnen können.

Auch der Konzernsprecher der Deutschen Bahn, Werner Klingberg, protestiert gegen die Argumente der Fluglinien: "Die Behauptung, dass die Flugbranche ihre Infrastrukturkosten alleine bezahlt, stimmt einfach nicht." So würden beispielsweise Flughafen(aus)bauten massiv subventioniert. Nicht minder emotional reagiert Klingbergs Kollegin Christine Geißler-Schild, Sprecherin für Technik und Beschaffung der Deutschen Bahn, wenn es um die "direkte Zahlung der Infrastrukturkosten" durch die Fluggesellschaften geht: "Das würde bedeuten, dass die erhobene Steuer dem Nutzer wieder zugeteilt wird. Doch unser Steuersystem ist nicht aufkommensorientiert. Außerdem finanzieren auch wir unsere Schienenstrecken durch Trassenpreise, also einer Art Maut."

Klage gegen EU-Kommission

"Auf jeder innerdeutschen Strecke zahlt der Fluggast zwischen 20 und 25 Euro pro Flug weniger, als wenn er die vollen Abgaben und Steuern entrichten müsste", zitiert Klingberg aus internen Berechnungen. Die Flugbranche erspare sich aber neben der Mineralölsteuer und Ökosteuer auf Kerosin auch die Mehrwertsteuer im grenzüberschreitenden Verkehr. Das führe zu einer Wettbewerbsverzerrung zwischen Flugzeugen und Hochgeschwindigkeitszügen im Fernverkehr. Aus diesem Grunde klagte das Unternehmen Ende 2002 die EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Bereits ein halbes Jahr zuvor hatte die Deutsche Bahn bei der EU-Kommission eine förmliche Beschwerde wegen der Steuerbefreiung auf Kerosin eingebracht. Da Brüssel nichts gegen die - nach Meinung der Bahn - unzulässige Subvention des deutschen Staates unternommen hatte, wurde eine Klage wegen "Untätigkeit" eingereicht. Laut Subventionsbericht der deutschen Bundesregierung ist die Steuerbefreiung von Flugbenzin die zweithöchste staatliche Subvention. Die Deutsche Bahn erwartet in den nächsten Tagen die Bekanntgabe eines mündlichen Verhandlungstermins.