Zur Finanzierung der Lohnsteuersenkung dürften nun Wirte zur Registrier-Kasse gebeten werden.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Diese Herren haben einen "Deal". So konnte man das lockere und entspannte Auftreten von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) beim Ministerrat am Dienstag auslegen. Präsentieren werden sie ihr Steuerreform-Werk frühestens am Wochenende. Aber was kommt von den hunderten Ideen, Vorschlägen, Indiskretionen der vergangenen Wochen und was entpuppt sich als Zeitungsente? Die beiden schweigen und genießen es, Journalisten aufs Glatteis zu führen. Mitterlehner meint, "diverse Meldungen in Medien" seien falsch. Aber welche? Dass die Dividendensteuer erhöht wird? Der Spitzensteuersatz auf 60 Prozent steigt? Faymann sagt, von den Reichen müsse etwas dabei sein und präzisiert: "Irgendwas."
Teurere Ab-Hof-Weine?
Aus heutiger Sicht fix ist die Senkung des Eingangssteuersatzes auf 25 Prozent und eine Entlastung der Arbeitnehmer zwischen vier und fünf Milliarden. Ziemlich fix ist die Anhebung so manch ermäßigten Mehrwertsteuersatzes - etwa auf Schnittblumen, Bücher und Ab-Hof-Weine. Der letzte Punkt wird insofern spannend, als Finanzminister Hans Jörg Schelling ein Weingut besitzt.
Sprudeln aus der Mehrwertsteuer neue Einnahmen, reicht das aber noch lange nicht aus, um die Lohnsteuersenkung zu kompensieren.
Deswegen scheint auch die Registrierkassenpflicht für Unternehmen mit hoher Kundenfrequenz ziemlich fix zu sein.
Indiz dafür: Nicht nur die SPÖ, deren Staatssekretärin Sonja Steßl vor Monaten den Vorstoß dazu machte, ist dafür. Auch die Betrugsbekämpfer im schwarzen Finanzministerium erhoffen sich durch die Pflicht zur Registrierkasse eine Milliarde Euro an neuen Einnahmen. Die Wirtschaftskammer, die sich gegen die "Kriminalisierung" der Betriebe wehrt, hält diese Schätzung für deutlich übertrieben.
Auch wenn die Einnahmen darunter liegen: Die ÖVP will über eine Milliarde Euro aus dem Kampf gegen den Steuerbetrug holen. Die Registrierkasse würde Finanzminister Hans Jörg Schelling einen Teil umgehend liefern. Außerdem braucht die SPÖ, die aus heutiger Sicht auf zwei Kernforderungen (Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer) verzichtet, Erfolgserlebnisse, um das Gesicht vor ihren Wählern zu wahren.
Stricherl-Liste
In einigen EU-Ländern sind Registrierkassen bereits Alltag, Nachbar Slowenien führt sie mit 1. September ein. Auch Tschechien will den Wirten genauer auf die Finger schauen und plant ab Jänner 2016 nach dem Beispiel Kroatiens eine zentrale elektronische Evidenz für die Umsätze in der Gastwirtschaft einzuführen. Ein entsprechendes Gesetz will Finanzminister Andrej Babis durchsetzen. In Österreich würden Registrierkassen ab 1.1.2016 auf einen Schlag zigtausende Wirte, Pensionen, Schuster oder Imbissbuden zur elektronisch erfassten und abrufbaren Abrechnung ihrer Umsätze verpflichten. Derzeit müssen Unternehmen in Österreich mit weniger als 150.000 Euro Jahresumsatz keine Einzelaufzeichnungen durchführen und behelfen sich oft nur mit Stricherllisten. Allein in der Sparte Freizeit und Tourismuswirtschaft wäre die Hälfte aller Betriebe betroffen, weil sie noch händisch aufzeichnen, in der Gastronomie bis zu drei Viertel. Derzeit ist es bei Stricherllisten praktisch unmöglich für die Finanz, die genauen Umsätze zu kontrollieren.
Mit dem neuen Gesetz würde die Grenze für die Aufzeichnungspflicht auf 15.000 Euro sinken. Ausgenommen bis zu einer Grenze von 30.000 Euro wären Unternehmer wie Fiaker, Eis- oder Maroni-Standler. Sie fallen unter die "Kalte-Hände-Regelung". Sehr mobile Unternehmer wie Masseure oder mobile Friseure müssten Belege sammeln und erst am Betriebsstandort in die Registrierkasse eintragen.
100 Euro Anschaffung
Für den Rest wäre der Kauf von Registrierkassen und einer manipulationssicheren Software vorgeschrieben. Die Kosten von rund 100 Euro sollen doppelt von der Steuer abzugsfähig sein. Der Konsument bekäme automatisch eine Mehrwertsteuer-Rechnung.
Neben der Registrierkassenpflicht sollen Scheinfirmen am Bau und der Betrug bei der Anmeldung zur Sozialversicherung eingedämmt werden. Auch der Missbrauch der E-Card ist Thema. Viel zu holen wäre durch ein "Reversed-Charge-System" gegen grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrug. Diese Umsetzung ist aber kompliziert.