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Der kryptische Satz im Steuerreformprogramm 2000 liest sich eher unverfänglich: "Die Abschreibung von Verlustbeteiligungen soll auf das zur Verfügung gestellte Kapital beschränkt werden". | Fachleute bleiben freilich an der schlichten Formulierung hängen und ahnen, was dahinter stecken könnte. Der fiskalische Versuch, Verluste aus Abschreibungsobjekten zu "deckeln", hat bereits | Tradition und in der Vergangenheit schon mehrmals zu einer geradezu verwirrenden Legistik geführt. Jetzt ist zu befürchten: § 23 a kommt wieder.
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Der berühmt-berüchtigte Paragraph des Einkommensteuergesetzes hatte eine lange und schmerzvolle Entwicklungsgeschichte, ehe man ihn 1989 wieder abschaffte. Vorausgegangen war ihm ein Probelauf des
Finanzministeriums, der als "Pokorny-Erlaß" die Kapitalanleger verschreckte, überhöhte Verlustanteile von Kommanditisten einfach den Komplementären zuordnete und den düpierten Teilhaftern nahelegte,
ihre handelsrechtliche Haftungsbeschränkung für steuerliche Zwecke einfach aufzuheben.
Verluste mit
Wartetastensperre
Die Rechtsmeinung des Ministeriums fand alsbald Eingang in das Einkommensteuergesetz und führte dazu, daß die gewerblichen Verlustanteile der Kommanditisten, atypischen stillen Gesellschafter und
ähnlichen Mitunternehmer vorerst auf die Höhe des jeweiligen Kapitalkontos eingeschränkt und zu Wartetastenbeträgen gemacht wurden: Die übersteigenden Verlustanteile durften erst mit künftigen
Gewinnen ausgeglichen werden.
Die neue gesetzliche Regelung löste eine wahre Flut von langatmigen Erlässen und Einzelerledigungen des Ministeriums aus, bis der Verfassungsgerichtshof die Blutoper beendete und den ganzen
Paragraphen aufhob. Begründung: Die Verlustbegrenzung auf die Höhe des bloßen Kapitalkontos sei nicht die ganze Wahrheit, man müsse auch die sonstigen denkbaren Gesellschafterleistungen
mitberücksichtigen.
Reform '89 beendete
Konfliktsituation
Die folgende Neufassung des § 23 a komplizierte die Rechtslage freilich auf andere Weise. Nun durften die Gesellschafter ihre steuerliche Verlustverwertung durch zusätzliche Kapital- und
Leistungseinlagen selbst steuern, wobei aber die Diskussion um Begriff und Umfang der Gesellschaftereinlagen zu neuerlichen Konflikten mit der Steuerbehörde führten.
Die Fachliteratur dieser Jahre spiegelt das Horrorszenario der damaligen § 23 a-Praxis wieder und rechtfertigte es wohl, daß die glücklose Gesetzesstelle für Neuverluste ab 1989 eliminiert wurde. Im
Einkommensteuergesetz 1988 ist sie nicht mehr enthalten. Lediglich die Versteuerung negativer Kapitalkonten beim Ausscheiden des Gesellschafters wurde · in einen anderen Paragraphen umgesiedelt ·
beibehalten.
Vor Reaktivierung
des § 23 a?
Kommanditverluste (oder solche vergleichbarer Gesellschafter), die seit 1989 anfallen, sind also wieder nach den allgemeinen steuerlichen Grundsätzen ausgleichs- und vortragsfähig. Auch die
Urfassung der § 23 a-Verlustbegrenzung, den "Pokorny-Erlaß", hat man seither nicht wieder aufleben lassen. Der schlichte Satz im jetzt vorliegenden Steuerreformkonzept der Bundesregierung läßt
freilich anderes erwarten. Gewerbliche Verlustzuweisungen aus bestimmten Mitunternehmeranteilen sollen wieder in Höhe der von den Gesellschaftern zur Verfügung gestellten Einlagen begrenzt werden,
wodurch diese Abschreibungsmodelle mit Zuweisungen über 100% hinaus wohl eingebremst werden.
Keine Empfehlung
der Reformkommission
Die offenbar geplante legistische Maßnahme, der im Reformpapier der Steuerreformkommission keinerlei entsprechende Empfehlung zugrunde liegt, wird in Kreisen der Steuer- und Wirtschaftsberater ·
vor allem nach den Erfahrungen der Vergangenheit · als eher kontraproduktiv eingeschätzt.
Man glaubt, daß der neuerliche Schritt zur Eindämmung der von den Legisten des Ministeriums befehdeten Verlustmodellen zu einem weitgehenden Desinteresse seitens der Kapitalanleger und damit zu einem
Rückgang von Investitionskapital führen wird, genau so, wie dies die geltenden Wartetastenregelungen bereits gezeigt haben.
Desinteresse der
Kapitalanleger?
Durch die fortgesetzte Eindämmung der steuerlichen Anlegerincentives könnten Bauwirtschaft und andere Produktionsbetriebe vom mangelnden Finanzierungsnachschub getroffen werden, heißt es.
Man verweist in diesem Zusammenhang etwa auf die Negativwirkungen der seit 1996 entfallenen steuerlichen Sonderabschreibung für Stadterneuerungsobjekte, die in der Bauwirtschaft zu einer spürbaren
"Auftragsdelle" geführt haben, sodaß die abträgliche Situation hinterher durch Einführung eines zusätzlichen Investitionsfreibetrages wieder attraktiviert werden mußte.
Der vorgebliche budgetäre Effekt einer § 23 a-Reaktivierung wird dagegen eher gering eingeschätzt.
Problematische
deutsche Neuregelung
Unterstützung bekommen die heimischen Steuerreformer allerdings aus der Deutschen Bundesrepublik, wo im Zuge des dortigen Reformpakets mit einem neugeschaffenen § 2 b dEStG seit März dieses Jahres
ein Wartetastenmodell installiert wurde, das dem seinerzeitigen § 23 a weitgehend ähnelt.
Danach darf der zunächst ausgeschlossene Verlustausgleich nur mit Gewinnen oder Überschüssen erfolgen, die der Steuerpflichtige im unmittelbar vorangegangenen (!) Jahr oder in den Folgejahren aus der
bezüglichen Einkunftsquelle erzielt hat oder erzielt.
Die kleine Unebenheit der neuen deutschen Regelung: der eingeschränkte Verlustausgleich gilt nur für Einkunftsquellen, die nachweislich zur "Erzielung eines steuerlichen Vorteils" erworben worden
sind. Wodurch vielschichtigen Fachdiskussionen und Erlässen wohl Tür und Tor geöffnet ist.
Ministerialentwurf
im Internet
Ende dieser Woche will man in der Wiener Himmelpfortgasse den Erstentwurf des Steuerreformgesetzes 2000 fertigstellen und den Steuerzahlern per Internet zugänglich machen. Inwieweit sich die
Wirtschaft mit einer § 23 a-Renaissance anfreunden kann, soll sich in den kommenden parlamentarischen Verhandlungen zeigen.